Modernisierung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) Berufsschule: Was seit 2020 als Arbeitszeit angerechnet wird

Seit Januar 2020 werden jugendliche und erwachsene Auszubildende bei der Freistellung vom Berufsschulunterricht gleichbehandelt. Wie die Unterrichtszeit auf die Arbeitszeit seither angerechnet werden muss – und in welchen Fällen der Betrieb verlangen kann, dass Berufsschüler nach dem Unterricht noch zur Ausbildung im Betrieb erscheinen, lesen Sie hier.

So sieht Berufsschule in Corona-Zeiten aus: kleine Klasse und Abstand. - © Rudi Merkl

Dass Betriebe ihre Auszubildenden für den Berufsschulunterricht bezahlt freistellen müssen, ist nicht neu. Neu ist seit Inkrafttreten des modernisierten Berufsbildungsgesetzes (BBiG) zum 1. Januar 2020, dass für minderjährige (unter 18 Jahren) und volljährige Auszubildende das Gleiche gilt. "Als Ausbildungsbetrieb müssen Sie sich diese Punkte merken", sagt Alexander von Chrzanowski, Fachanwalt für Arbeitsrecht:

Berufsschule: Das sollten Ausbildungsbetriebe zum neuen BBiG wissen

  • Das Gesetz unterscheidet zwischen der Freistellung für die Berufsschule und der Anrechnung von "Berufsschulzeiten" auf die tägliche bzw. wöchentliche Ausbildungszeit. Maßgeblich sind §§15 und 19 BBiG und § 9 Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG). "Diese drei Paragrafen regeln alles", so von Chrzanowski.
  • Kein Auszubildender darf vor einem vor 9 Uhr beginnenden Berufsschulunterricht in seinem Betrieb beschäftigt werden.
  • Hat der Auszubildende an einem Berufsschultag mehr als fünf Stunden à 45 Minuten Unterricht, ist er einmal in der Woche für den Tag freizustellen, d.h. der Auszubildende darf an diesem Tag auch nicht mehr im Betrieb tätig werden. Auf die vom Auszubildenden zu leistende Ausbildungszeit ist ein solcher Berufsschultag mit der durchschnittlichen täglichen Ausbildungszeit anzurechnen.
  • Die durchschnittliche tägliche Ausbildungszeit richtet sich dabei nach der jeweiligen betrieblichen Vereinbarung. Bei einer 40-Stunden-Woche sind es acht Stunden, bei einer 37,5-Stunden-Woche 7,5 Stunden Ausbildungszeit. Ausbildungszeit ist hier synonym zu Arbeitszeit zu verstehen.
  • Hat der Auszubildende an zwei Tagen in der Woche Unterricht an der Berufsschule, ist ihm ein Tag wie oben beschrieben anzurechnen. Für den zweiten Tag ist die Schulzeit einschließlich der Pausen anzurechnen. Ist am zweiten Tag noch Zeit zur durchschnittlichen täglichen Ausbildungszeit übrig und die Wegezeit steht im Verhältnis zur Restausbildungszeit, kann der Auszubildende an diesem Tag noch im Betrieb beschäftigt werden. "Eine sinnvolle Ausbildung muss dann aber noch möglich sein und die Höchstarbeitszeit muss eingehalten werden", ergänzt der Rechtsanwalt. Die Entscheidung, welcher Berufsschultag als voller Arbeitstag angerechnet werden soll, liegt beim Ausbildungsbetrieb. (siehe "Arbeiten nach der Berufsschule" weiter unten)
  • Hat der Auszubildende eine ganze Woche planmäßigen Blockunterricht von mindestens 25 Stunden à 45 Minuten an fünf Tagen, so ist er für diese Woche freizustellen. Der Auszubildende darf in diesem Fall auch nicht mehr in den Betrieb beordert werden. Einzige Ausnahme: Betriebliche Ausbildungsveranstaltungen von bis zu zwei Stunden sind zulässig. Eine Berufsschulwoche von 25 Stunden ist mit der durchschnittlichen wöchentlichen Ausbildungszeit anzurechnen.
  • Im Übrigen ist der Auszubildende für die Teilnahme am Berufsschulunterricht freizustellen. Auf die Ausbildungszeit des Auszubildenden ist insoweit die Zeit der Teilnahme am Unterricht einschließlich der Pausen anzurechnen.
  • Ebenso wird nun jeder Auszubildende am Tag vor seiner schriftlichen Abschlussprüfung vom Betrieb freigestellt. Es wird die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit angerechnet. Nur wenn dieser Tag auf einen Sonn- oder Feiertag fällt, an dem im Betrieb nicht gearbeitet wird, ist diese Regelung hinfällig.
  • Für die freigestellte Zeit in der Berufsschule ist die Ausbildungsvergütung im Umfang der Anrechnung zu bezahlen (§ 19 BBiG).

Arbeiten nach der Berufsschule

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Hat der einzige Berufsschultag der Woche nur Unterricht bis zu fünf Stunden à 45 Minuten oder handelt es sich um einen zweiten Berufsschultag in der Woche, ist eine Rückkehr in den Betrieb zulässig, sofern sie zumutbar und sinnvoll ist. Hierzu stellen sich folgende drei Einzelfragen:

Wann ist eine Rückkehr in den Betrieb unzumutbar?

Auszubildende müssen am betreffenden Tag nicht mehr für die betriebliche Ausbildung in die Ausbildungsstätte zurückkehren, wenn sich aufgrund der Dauer des Berufsschulunterrichts eine Restzeit ergibt, die eine Rückkehr als unzumutbar erscheinen lässt. Das trifft etwa dann zu, wenn eine übermäßige Wegezeit aufgewendet werden müsste und die Restzeit für die betriebliche Ausbildung nicht mehr entsprechend dem Zweck der Ausbildung genutzt werden könnte.

"Beträgt beispielsweise die Wegezeit von der Schule zum Betrieb und von dort zur Wohnung jeweils eineinhalb Stunden, die verbleibende Ausbildungszeit im Betrieb hingegen nur wenige Minuten, so dürfte ein Rückkehrverlangen des Betriebes als eine Schikane anzusehen sein", so Marcus Halder, Leiter der Ausbildungsberatung der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Würde der Fall jedoch so liegen, dass die vorgenannten Wegezeiten jeweils nur 20 Minuten betragenund der Auszubildende, eine verbleibende Restzeit von zwei Stunden im Betrieb sinnvoll nutzen kann, sei eine Rückkehr an den Ausbildungsplatz zumutbar.

Können Wegezeiten von der Berufsschule in den Betrieb auf die Arbeitszeit angerechnet werden?

Die Modernisierung des BBiG regelt auch die Berücksichtigung von Wegezeiten zwischen Berufsschule und Ausbildungsbetrieb für Erwachsene neu. "Wegezeiten spielen keine Rolle mehr und werden nicht auf die Arbeitszeit beziehungsweise Ausbildungszeit angerechnet", sagt Arbeitsrecht-Experte von Chrzanowski. So zumindest könne das Gesetz ausgelegt werden. Auch Ausbildungsberater Halder ist der Ansicht, dass Wegezeiten von und zur Berufsschule nicht mehr auf die Ausbildungszeit des Auszubildenden anzurechnen sind – und bezieht sich dabei auf den "eindeutigen und abschließenden Wortlaut des Gesetzes." (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG)

Unabhängig davon müssten Betriebe ihre Auszubildenden weiterhin für notwendige Wegezeiten von der betrieblichen Ausbildungsstätte in die Berufsschule und gegebenenfalls auch zurück freistellen. "Andernfalls wäre es möglich, dass der Auszubildende zum Beispiel nicht rechtzeitig zum Unterricht in der Schule erscheint“, so Halder. Und für die Freistellung ist nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 BBiG die Vergütung zu zahlen, gibt von Chrzanowski zu bedenken. Halder ist in diesem Punkt anderer Ansicht. Nach seiner Rechtsauffassung müssten Freistellungen für die Berufsschule nur im Umfang ihrer Anrechnung bezahlt werden. "Das bedeutet, Wegezeiten sind nicht zu bezahlen, da sie bei der Anrechnung auf die Ausbildungszeit nicht berücksichtigt werden."

Letztlich wird erst noch ein Gericht über die Frage der Vergütungspflicht von Wegezeiten nach dem seit 1. Januar 2020 geltenden Recht entscheiden und Rechtssicherheit schaffen müssen.

Bei Rückkehr in den Betrieb: Müssen gesetzliche Pausenzeiten eingehalten werden?

"Ruhepausen sind auch zu gewähren, wenn der Auszubildende an einem Tag sowohl am Berufsschulunterricht teilnimmt als auch nach dessen Ende im Betrieb beschäftigt wird", erklärt Halder. Der Berufsschulunterricht sei insoweit der Arbeits- bzw. Ausbildungszeit gleichgestellt.

Für minderjährige Azubis sind an Tagen mit mehr als sechs Stunden Arbeit bzw. Ausbildung 60 Minuten Pause vorgeschrieben. Volljährige Auszubildende haben Anspruch auf 30 Minuten Ruhepause bei einer Arbeits- bzw. Ausbildungszeit von sechs bis neun Stunden. Dauert die Ausbildung länger, besteht ein Anspruch auf 45 Minuten Pause.

"Die in der Berufsschule gewährten Pausen dürften wohl auf die Gesamtdauer der Ruhepausen an diesem Tag angerechnet werden", sagt Halder. Allerdings müssen die Schulpausen den arbeitszeitrechtlichen Anforderungen an eine Pause genügen, insbesondere sie Zeitblöcke von mindestens 15 Minuten umfassen. Doch gibt es keine – gesicherte – Rechtsprechung zu dieser Problematik, wie der Ausbildungsberater betont. "Verständige Handwerksbetriebe gewähren vom Schultag ausgelaugten Auszubildenden erfahrungsgemäß auch mehr Pausen zur erforderlichen Erholung als vorgeschrieben."

Die Wegezeiten zwischen Berufsschule und Ausbildungsbetrieb würden nicht als Pause angesehen und bei der Gesamtdauer der vom Betrieb zu gewährenden Pausen eingerechnet werden können. "Schließlich wird zum Beispiel auch die Zeit eines Auszubildenden für die Fahrt von einer Baustelle zur nächsten nicht als Pause definiert werden können", so Halder. Die (ober)gerichtliche Klärung dieser Frage steht allerdings ebenfalls aus.

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