Pharmazeutische Zeitung online
BAK, DAC/NRF und ADKA

Gemeinsame Stellungnahme

Mikrobiologische Qualität pharmazeutischer Ausgangsstoffe und da­raus hergestellter Rezepturarzneimittel zur oralen Anwendung unter besonderer Berücksichtigung neonatologischer Patienten
BAK
ADKA
DAC/NRF
27.05.2019  12:46 Uhr

Im September 2018 gab es eine UAW-Meldung über das Auftreten des für Neugeborene lebensbedrohlichen Enterobakteriums Cronobacter sakazakii in der gemischten neonatologischen und pädiatrischen Intensivstation einer Kinderklinik. Eine Mitteilung aus dem Robert Koch-Institut (RKI) wies im Oktober 2018 auf einen möglichen, bisher nicht dokumentierten Zusammenhang mit dem in einer pädiatrischen NRF-Suspension enthaltenen pflanzlichen Verdickungsmittel Tragant hin.

Anhand gezielter mikrobiologischer und pharmazeutischer Untersuchungen ist festzustellen, dass Tragant als Ausgangsstoff für lege artis hergestellte pädiatrische Suspensionen auch in der Neonatologie geeignet ist. Dies gilt insbesondere für Hydrochlorothiazid-Saft 2 mg/mL nach der NRF-Vorschrift 26.4., in der Cronobacter saka­zakii und ein Wildstamm Cronobacter spp. im mikrobiologischen Belastungstest rasch abgetötet werden. Voraussetzung für die sichere Anwendung ist ein mikrobiologisches Risikomanagement in der Apotheke hinsichtlich der Qualität der Ausgangsstoffe, der Qualität und der Stabilität des hergestellten Rezepturarzneimittels sowie einer Konfektionierung, die die Anwendungshygiene unterstützt.

Tragant wird in Rezepturarzneimitteln zur Stabilisierung der Suspensionen zum Einnehmen und zur Lokalwirkung in Rachen und Speiseröhre verwendet. Er ist pflanzlichen Ursprungs und wird in Pulverform für pharmazeutische Zwecke einer wirksamen thermischen Keimreduktion unterzogen. In den Prüfzertifikaten der aktuell und in den vergangenen Jahren angebotenen Tragant-Chargen zur Herstellung von Rezepturarzneimitteln sind niedrige Keimzahlen angegeben. Tragant ist aber nicht steril. In aufwändigen mikro­biologischen Untersuchungen im Auftrage der DAC/NRF-Kommission konnten aus einem Muster handelsüblichem Tragant Enterobakterien isoliert werden und unter diesen Cronobacter spp. Im Rahmen des Risikomanagements ist in der Apotheke der Beitrag von Tragant und der jedes anderen Rezepturbestandteils zur mikrobiologischen Qualität des Rezepturarzneimittels abzuschätzen. Wenn auch die deklarierten Keimzahlen der meisten Ausgangsstoffe unter den zulässigen Grenzwerten liegen, muss geprüft werden, ob die resultierende Keimkonzentration unter dem Grenzwert der herzustellenden Darreichungsform nach Arzneibuchtext 5.1.4 liegt. Zur Risikominimierung können keimreduzierende Herstellungsschritte und Konservierungsmittel beitragen.

Bei den in der Pädiatrie in Form von Lösungen und Suspensionen gebräuchlichen wässrigen Tropfen ist vor allem eine wirksame Konservierung entscheidend. Als Konservierungsstoffe für Kinder jedes Alters kommen hierfür im Wesentlichen die Sorbinsäure (meist als Kaliumsorbat in Kombination mit Citronensäure), nur für den pH-Bereich unter etwa 5, und das Methyl-4-hydroxy­benzoat für fast den gesamten relevanten pH-Bereich infrage. Methylparaben ist in der Konzentration 1,5 bis 2 mg/mL einzusetzen, um die nach Arzneibuch empfohlene, ausreichend schnelle Abtötung repräsentativer Testkeime in der mikrobiologischen Arzneibuchprüfung 5.1.3 sicherzustellen. Neben der Konservierung können Vorgaben zur Flaschengröße und zur Aufbrauchsfrist sowie spezifische Anwendungshinweise das Risiko der mikro­biellen Sekundärkon­tamination weiter senken. Risikominimierend sollten zur Entnahme und Applikation Oraldispenser (Kolbenpipetten) oder Oralspritzen genutzt werden. Dabei gilt die 1er Regel – 1 Flasche und 1 Dosierhilfe nur für ein und dasselbe Kind – und die Dosierhilfe idealerweise nur zur Einmalanwendung.

Auch die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker hat zu diesem Fall eine Meldung verfasst.

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