Charles Eugster ist tot

Charles Eugster aus Uitikon war Leistungssportler und sammelte Titel bis ins hohe Alter. Die Fitness-Girlies in den Sozialen Medien stellte er im Grunde in den Schatten. Nun ist er 97-jährig in London gestorben.

Markus Wanderl
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Charles Eugster im Jahr 2013. (Bild: Adrian Baer / NZZ)

Charles Eugster im Jahr 2013. (Bild: Adrian Baer / NZZ)

Ursprünglich war Charles Eugster aus Uitikon Zahnarzt. Aber das war in seinem ersten Leben. In seinem zweiten Leben war er Läufer, er ruderte und betrieb Fitness. Nichts Besonderes? Oh doch. Denn die Menschen, die mit 85 Jahren noch einmal ein spezielles Fitnessprogramm starten, sie wachsen wahrlich nicht auf Bäumen. Eugster war zudem ambitioniert wie kaum ein Jungscher. Viermal wöchentlich stählte er seinen Körper unter Anleitung einer persönlichen Trainerin. Wettkämpfe bestritt er wie andere Leute Spaziergänge. «Da wird Adrenalin ausgeschüttet; das hilft der Gesundheit», sagte er einmal zu seinen Beweggründen.

Seit 1997 gewann Eugster Dutzende von internationalen Titeln, die meisten davon im Rudern. Er wurde in Basel auch Europameister im Fitness-Wettkampf «Strenflex», bei dem zehn verschiedene Tests absolviert werden: Seilspringen, Klimmzüge, Bankdrücken. Eugster siegte in Basel, weil er in seiner Alterskategorie der einzige Teilnehmer war. Aber gemach: Er sammelte auch mehr Punkte als die Sportler in den nächsten beiden unteren Kategorien.

Fitter als ein Turnschuh: Charles Eugster lässt an der Strenflex-Europameisterschaft in Basel weit jüngere Konkurrenten hinter sich. (Bild: Adrian Baer/NZZ)
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Der 94-Jährige hat mit 85 Jahren mit dem Fitnesstraining angefangen und ist dreifacher Weltmeister seiner Altersklasse im Strenflex-Fitness-Zehnkampf. (Bild: Adrian Baer/NZZ)
Aufwärmen am Rudergerät: Seit seiner Jugend betreibt Eugster den Wassersport mit grossem Erfolg und hat bis heute über 100 Mal gesiegt. (Bild: Adrian Baer/NZZ)
Neben dem Rudern ist der 94-Jährige mittlerweile auch ein Star der Fitnessszene. (Bild: Adrian Baer/NZZ)
Am Wochenende kam in Basel ein neuer Titel hinzu. Am Fitness-Zehnkampf sammelte Eugster mehr Punkte als die Sportler in den nächsten beiden unteren Kategorien. (Bild: Adrian Baer/NZZ)
Gefragt waren neben Klimmzügen auch Bankdrücken, Seilspringen und weitere Disziplinen im Bereich Kraft, Koordination und Beweglichkeit. (Bild: Adrian Baer/NZZ)
Das nächste sportiliche Ziel von Charles Eugster sind die Altersklassen-Weltmeisterschaften in der Leichtathletik 2014. (Bild: Adrian Baer/NZZ)

Fitter als ein Turnschuh: Charles Eugster lässt an der Strenflex-Europameisterschaft in Basel weit jüngere Konkurrenten hinter sich. (Bild: Adrian Baer/NZZ)

Vor zwei Jahren, mit 95, brach Eugster mit 55,48 Sekunden noch den Hallen-Weltrekord im 200-Meter-Lauf. Freilich in seiner Altersklasse. Den Weltrekord über 400 Meter im Freien hält er ebenfalls. «Er läuft und läuft und läuft», die allseits bekannte VW-Käfer-Werbung von ehemals – auch Eugster wäre sie wie auf den Leib geschrieben gewesen.

«Du bist niemals zu alt, um etwas Neues auszuprobieren.»

«I looked in the mirror one morning, and I didn't like what I saw.» Das war gemäss eigenem Bekunden der Moment, als Eugster noch einmal die Maschine anwarf. Seine Botschaft war fortan: «Du bist niemals zu alt, um etwas Neues auszuprobieren.»

Während sich selbsternannte Fitness-Girls aus aller Welt abmühen, ihr Millionenpublikum via Instagram und Youtube tagtäglich mit teils halbnackten (Un-)Wahrheiten zu versorgen, hatte Eugster in den Sozialen Medien wie selbstverständlich sein Publikum. Es bedurfte der Pflege nicht.

Quelle: Youtube

Aber wie selbst der Motor eines Käfers eine begrenzte Lebenszeit hat, so war es beim britisch-schweizerischen Doppelbürger das Herz, das nun nicht mehr mitmachte. 97-jährig ist Charles Eugster am Mittwoch in London gestorben, wie sein Publizist mitteilte. Denn Autor war Eugster ebenfalls. Der Titel seines Buches liegt nahe: «Age is Just a Number».