Kassen-Reform

Widerstand gegen Spahns AOK-Gesetz wächst

Mittlerweile gehen fünf Bundesländer auf Konfrontationskurs zum Vorschlag aus dem BMG.

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POTSDAM. Die brandenburgische Gesundheitsministerin Susanna Karawanskij (Linke) lehnt das geplante Kassenwahl-Gesetz aufs Schärfste ab. Sie hält es für überflüssig und warnt davor, dass ein bundesweiter Preiswettbewerb der Kassen die Versorgung der Menschen in ländlichen und dünn besiedelten Regionen beeinträchtigen würde. „Die Menschen in Ostdeutschland wären die Verlierer dieser unnötigen Reform“, sagte Karawanskij.

Ihre Kritik äußerte sie bei einer Veranstaltung der AOK Nordost am Dienstagabend in Potsdam. Per Brief soll sie auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) persönlich erreichen.

"Aufsichtsrechtliche Kompetenzen der Länder gehen verloren"

Karawanskij kritisiert im Detail, dass regionale Begrenzungen und die Länderaufsicht für bestimmte Krankenkassen wie AOKen, BKKen und IKKen durch den Gesetzentwurf entfallen sollen. „Damit würden aufsichtsrechtliche Kompetenzen und schlussendlich Gestaltungsmöglichkeiten der Länder verloren gehen“, so die brandenburgische Ministerin.

„Das Ziel eines fairen Wettbewerbs unter den Kassen wird man mit diesem Gesetzentwurf nicht erreichen können“, fuhr sie fort. Da langfristig die Zahl der Kassen sinken würde, gäbe es sogar weniger Wettbewerb, meint sie. „Wir brauchen auch in Zukunft regional verwurzelte Krankenkassen wie die AOK Nordost, aber auch die Innungskrankenkasse Brandenburg und Berlin oder die brandenburgische BKK rund um Eisenhüttenstadt, um auf besondere Bedarfslagen vor Ort reagieren zu können“, forderte Karawanskij.

Das spiele besonders in der Prävention und Gesundheitsförderung eine wichtige Rolle. Mit der AOK Nordost habe das Land gemeinsam viele gute und auf Brandenburg zugeschnittene Modellprojekte ins Leben gerufen. „Das würde es so in Zukunft nicht mehr geben“, fürchtet die Landespolitikerin.

Ihren Widerstand gegen das Gesetz hatten bereits die Minister aus NRW, Bayern, Sachsen und Baden-Württemberg öffentlich gemacht. „Eine Bundes-AOK kann er sich von der Backe putzen“, fand NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann erst vor wenigen Tagen deutliche Worte.

"Historischer Anachronismus"

Der Bundesgesundheitsminister verteidigte dagegen seine Pläne für eine bundesweite Öffnung regional begrenzter Krankenkassen erneut. „Nicht alle Versicherten können derzeit Krankenkassen mit attraktiven Zusatzleistungen oder mit günstigen Beiträgen wählen“, sagte er dem „Reutlinger General-Anzeiger“.

In welcher Kasse man versichert sein könne, hänge teils noch vom Wohn- oder Beschäftigungsort der Versicherten ab. „Dieser Anachronismus ist vielleicht historisch, aber nicht sachlich begründet.“

Spahn sagte, die bestehende Situation sorge auch dafür, dass manche Landesregierung ihre Krankenkassen bevorzugt behandle. „Das mag dann gut sein für die Krankenkasse, aber längst nicht immer für die Versicherten.“ Wenn Kassen eine große Marktmacht hätten, führe das auch dazu, dass sie Bedingungen diktieren könnten.

„Was wir brauchen, ist ein fairer Wettbewerb zwischen den Krankenkassen in der Stadt und auf dem Land, so dass die Angebotsvielfalt langfristig erhalten bleibt.“ Krankenkassen könnten weiterhin Verträge mit Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten aushandeln. „Regionale Besonderheiten werden also nach wie vor berücksichtigt“, sagte der Minister.

Der AOK-Bundesverband kritisierte, aus Spahns Äußerungen spreche „der bürgerferne Berliner Zentralist“. Eine Zwangsöffnung der AOKen würde die Versorgungsoptionen vor Ort nicht erweitern, sondern ausdünnen. (ami/dpa)

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