7. Dezember 2021
Kryptowährung Einkommenssteuer Wirtschaftsgut
Steuerrecht

Update zur Besteuerung von Kryptowerten

Das FG Baden-Württemberg entschied, dass die Veräußerung von Kryptowerten zu sonstigen Einkünften führt. Der Umfang der Entscheidung wirft Fragen auf.

Nach Ansicht des FG Baden-Württemberg ist die Einordnung von Kryptowerten als Wirtschaftsgüter ohne Rücksicht auf die technischen Details vorzunehmen. Die bisher kritischen Stimmen in der Literatur blieben ungeachtet.

Vater und Sohn investierten in Kryptowerte

Der Sohn des Steuerpflichtigen investierte, nach dem inzwischen veröffentlichten Urteil des FG Baden-Württemberg, seit dem Jahr 2015 in verschiedene Kryptowerte über im Ausland ansässige Exchanges.

Im Jahr 2016 beteiligten sich der Steuerpflichtige sowie später seine geschiedene Frau an dem Portfolio. Die Beteiligten besprachen Investitionsentscheidungen gemeinsam und jeder hatte das Recht, investierte Beträge durch den anteiligen Verkauf zu realisieren und seinen Anteil zurückzuerhalten. Der Sohn des Steuerpflichtigen verwaltete das Portfolio treuhänderisch und erwarb mit Bitcoin andere Kryptowerte.

Finanzamt folgt der Steuererklärung – Steuerpflichtiger legt Einspruch ein

Im Streitjahr 2017 erzielte der Steuerpflichtige Gewinne infolge der Veräußerung der Kryptowerte bzw. des Tausches von Bitcoin gegen andere Kryptowerte i.H.v. EUR 31.904 (§ 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG), inkl. der Berücksichtigung von Werbungskosten. Er gab sie als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in seiner Einkommensteuererklärung an. Diese Praxis deckte sich mit der Auffassung der Finanzverwaltung.

Obgleich das Finanzamt der Steuererklärung des Steuerpflichtigen gefolgt war, legte er Einspruch ein und erhob anschließend Klage beim FG Baden-Württemberg. 

Sind Kryptowerte ein „anderes Wirtschaftsgut“?

Nach dem Gesetz sind steuerpflichtige „private Veräußerungsgeschäfte“ 

Veräußerungsgeschäfte bei anderen Wirtschaftsgütern, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist der Begriff der „Wirtschaftsgüter“ weit auszulegen. Er umfasst neben Sachen und Rechten auch tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten, d.h. sämtliche vermögenswerten Vorteile, deren Erlangung sich der Steuerpflichtige etwas kosten lässt und die einer selbständigen Bewertung zugänglich sind. Die selbständige Bewertung meint, dass ein Erwerber des gesamten Betriebs in dem Vorteil einen greifbaren Wert sehen würde, für den er im Rahmen des Gesamtpreises ein ins Gewicht fallendes besonderes Entgelt ansetzen würde.

Dies war nach Ansicht des Steuerpflichtigen nicht der Fall. Die Software einer node könnte zwar ein Wirtschaftsgut darstellen, jedoch erlange derjenige, der mit Kryptowerten handele, diese Software nicht. Der Steuerpflichtige betrieb selbst auch keine node.

Ebenso sei der public key selbst kein Wirtschaftsgut, da dieser öffentlich bekannt und zugänglich sei. Eine konkrete Möglichkeit im Sinne der o.g. Definition sei damit nicht verbunden.

Die Kombination aus public key und private key solle ebenfalls keinen eigenen Wert aufweisen, da der Verfügende auf das Mining angewiesen sei, das er nicht beeinflussen könne, damit eine Transaktion zu Stande kommt. Auch habe der Inhaber einer wallet keine durchsetzbaren Rechte oder Ansprüche gegen den Miner oder das Netzwerk. Letztlich habe der Steuerpflichtige nach seiner Ansicht nur zwei Buchstaben- und Zahlenreihen, die nur in Kombination mit einer von ihm nicht beeinflussbaren Software einen am Markt reflektierten wirtschaftlichen Wert ergäben.

Der Steuerpflichtige erklärte, Kryptowerten werde nur so lange ein wirtschaftlicher Wert zugeschrieben, wie die von einem Dritten unterhaltene und weiterentwickelte Software fortbestehe und damit auch die Datenblöcke weiter fortbestehen, in denen die Werteinheiten verzeichnet seien, die dem „Inhaber“ zustehen sollten. Kurzum: Der wirtschaftliche Wert sei von fremden Dritten abhängig, mit denen der „Inhaber“ keinerlei vertragliche Beziehung habe.

Auch sei es Grundlage einer distributed ledger technology, dass der neu geschriebene Block nach dem Konsensmechanismus akzeptiert werde. Darauf haben am Netzwerk Teilnehmende keinen Einfluss.

Auf die technischen Details komme es für eine Einordnung als Wirtschaftsgut nicht entscheidend an

Auf die umfangreichen technischen Ausführungen des Steuerpflichtigen erwiderte das Finanzamt lediglich unter Verweis auf die im einstweiligen Rechtsschutz ergangene Entscheidung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg (dort erfolgt nur eine summarische Prüfung), wonach es sich beim Bitcoin (und bei anderen Kryptowährungen) um ein immaterielles Wirtschaftsgut handeln soll. 

Das FG Baden-Württemberg gab dem Finanzamt recht. Die Überlegungen aus der gegenläufigen Entscheidung des FG Nürnberg, das an der Qualifikation wegen fehlender höchstrichterlicher Rechtsprechung durchaus Zweifel hegte, bezog es im vorliegenden Fall nicht ein.

Nach Auffassung des FG Baden-Württemberg habe der Steuerpflichtige mit dem Erwerb der Kryptowerte einen vermögenswerten Vorteil erlangt, weil ihm innerhalb des Netzwerks verbindlich ein Anteil zugerechnet werde, der allein dem Inhaber des public key und private key zustehe. Mit dem Kryptowert sei die Chance auf eine Wertsteigerung und die Möglichkeit des Einsatzes (sofern von den Marktteilnehmern zugelassen) als Zahlungsmittel verbunden. Insbesondere die Nachfrage an den Exchanges zeige, dass Kryptowerte einer gesonderten Bewertung zugänglich seien. 

An dieser Stelle lässt das FG Baden-Württemberg – ebenso wie das Bundesministerium für Finanzen in seinem Entwurf eines BMF-Schreibens zu Einzelfragen zur ertragsteuerlichen Behandlung virtueller Währungen und Token aus Juni 2021 – detaillierte Ausführungen und eine Auseinandersetzung mit den kritischen Stimmen vermissen. Es beruft sich vielmehr allein auf die Teile der überwiegenden Auffassung der Literatur, ohne diese jedoch tatsächlich auch inhaltlich zu würdigen.

Bemerkenswert ist dabei insbesondere die Aussage, dass es nach Ansicht des erkennenden Senats für die rechtliche Bewertung als Wirtschaftsgut nicht entscheidend auf die technischen Details ankomme, da die in der Vergangenheit erzielten hohen Preise für Kryptowährungen deutlich zeigten, dass Marktteilnehmer sich den Erwerb der virtuellen Währung etwas kosten lassen. Damit macht sich das FG Baden-Württemberg die Argumentation des Bundesministeriums für Finanzen aus der virtuellen Anhörung zum Entwurf des BMF-Schreibens „was so viel kostet, ist auch ein Wirtschaftsgut“ zu eigen. 

Es kann vermutet werden, dass die fehlende Auseinandersetzung mit den technischen Aspekten auch mit Blick auf die zugelassene Revision erfolgt ist.

FG Baden-Württemberg sieht kein strukturelles Vollzugsdefizit

Ebenfalls ausdrücklich berief der Steuerpflichtige sich auf ein strukturelles Vollzugsdefizit, weil die Besteuerung der Veräußerungsgewinne allein von der Erklärungsbereitschaft des Steuerpflichtigen abhänge. Es gebe weder Mitteilungspflichten der Transaktionsbeteiligten noch Dokumentations- oder Auskunftspflichten der Exchanges. Unter Verweis auf verschiedene abgabenrechtliche Auskunftspflichten zeigte der Steuerpflichtige sein Verständnis dafür, dass das Entdeckungsrisiko gering sei.

Der Gesetzgeber habe es nach Ansicht des Steuerpflichtigen seit dem Jahr 2011 unterlassen, den Handel mit Kryptowerten steuerlich zu regeln. Das FG hielt demgegenüber Kryptowerte bis zum Jahr 2017 für eine Randerscheinung, sodass der Gesetzgeber nicht verpflichtet gewesen sei, die Besteuerung ausdrücklich zu regeln, da sich jedenfalls im Streitjahr keine gravierenden Missstände der gleichmäßigen Besteuerung gezeigt haben. Eine Studie des Frankfurt School Blockchain Center zeigte zuletzt für den Veranlagungszeitraum 2020 fehlende Steuereinnahmen i.H.v. EUR 1,2 Mrd.

Und selbst wenn eine Nachverfolgung möglich sei, wäre es der Finanzverwaltung nach Ansicht des Steuerpflichtigen infolge der Pseudonymisierung in einem Netzwerk nicht möglich, die Transaktionen den Steuerpflichtigen zuzuordnen. Dem entgegnete die Finanzbehörde, dass die Nutzer einer Exchange sich mit persönlichen Daten registrieren müssten, sodass die Finanzverwaltung mittels Auskunftsersuchens in der Lage sei, die betroffenen Personen zu identifizieren. Der Pseudonymisierung könne die Finanzverwaltung mit einem Sammelauskunftsverfahren begegnen, so auch das FG Baden-Württemberg.

Einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung erkannte das FG Baden-Württemberg daher nicht. Selbst wenn Rechts- und Amtshilfe – welche das FG Baden-Württemberg jedoch für anwendbar hielt – nicht erfolgversprechend seien, treffe den Steuerpflichtigen bei Auslandssachverhalten eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Verbleibende Vollzugsdefizite seien der nationalen Souveränität der Besteuerungshoheit geschuldet. 

Schlussendlich führe die Bindung der Verwaltung an den verfassungsrechtlich verankerten Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes selbst bei einem strukturellen Vollzugsdefizit dazu, § 23 EStG so lange anzuwenden, bis das Bundesverfassungsgericht festgestellt habe, dass die Norm nichtig sei.

Das Verfahren hat grundsätzliche Bedeutung für die Krypto-Besteuerung

Trotz seiner dürftigen Ausführungen hat das FG Baden-Württemberg erkannt, dass in dem gegenständlichen Verfahren wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungserheblichen Fragen die Revision zuzulassen ist. Der Steuerpflichtige hat seine zunächst eingelegte Revision bereits zurückgenommen.

Steuerpflichtige, die Einkünfte aus der Veräußerung von Kryptowerten erzielt haben, sollten das weitere Verfahren im Blick behalten und den eigenen Einkommensteuerbescheid ggf. durch einen Einspruch offen halten. Sofern noch keine Einkommensteuererklärung abgegeben wurde, ist das Urteil auch ein Fingerzeig auf die umfangreichen Dokumentationspflichten zu Anschaffungszeitpunkt und -kosten des Steuerpflichtigen.

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