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Ermittlungen wegen Landesverrats Der Fall Netzpolitik.org - die wichtigsten Fakten

Die Ermittlungen gegen Netzpolitik.org würden eingestellt, heißt es in manchen Meldungen. Ist das so? Wer sind die Journalisten des Blogs eigentlich? Und was bedeutet "Landesverrat" überhaupt? Der Fakten-Überblick.
Ermittlungen wegen Landesverrats: Der Fall Netzpolitik.org - die wichtigsten Fakten

Ermittlungen wegen Landesverrats: Der Fall Netzpolitik.org - die wichtigsten Fakten

Foto: Britta Pedersen/ picture alliance / dpa

Was ist passiert?

Die Bundesanwaltschaft hat gegen Journalisten und Betreiber des Blogs Netzpolitik.org ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Landesverrat eingeleitet. Ermittelt wird gegen die Redakteure Markus Beckedahl und Andre Meister sowie gegen unbekannt - die Quellen des Blogs.

Was ist Netzpolitik.org?

2004 begann Markus Beckedahl als einer der Ersten, die politische Debatte rund um das Internet auf seiner Seite Netzpolitik.org öffentlich zu notieren. Mittlerweile umfasst die Redaktion neben Beckedahl mit Andre Meister, Anna Biselli und Constanze Kurz drei weitere feste sowie eine Reihe freier Autoren. Netzpolitik.org setzt sich für Bürgerrechte und Transparenz im Internet ein. Es berichtet kritisch und stets gut informiert über die Arbeit der Geheimdienste und des Bundesverfassungsschutzes. 2014 sorgte das Blog für Aufsehen, weil sich das Bundeskanzleramt bei den Abgeordneten des NSA-Untersuchungsausschusses über die Weitergabe von Geheimnissen unter anderem an Netzpolitik.org beschwerte. 2014 wurde das mehrheitlich spendenfinanzierte Blog mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnet.

Was bedeutet Landesverrat?

Wer Staatsgeheimnisse preisgibt oder öffentlich bekannt macht und die Sicherheit der Bundesrepublik dadurch beschädigt, begeht nach Paragraf 94 des Strafgesetzbuchs Landesverrat. Darauf steht mindestens ein Jahr Haft, in besonders schweren Fällen auch lebenslänglich. Doch journalistische Arbeit ist durch das Grundgesetz geschützt - Artikel 5, die Pressefreiheit. Schon einmal wurde in Deutschland die Bedeutung der Pressefreiheit infrage gestellt und wegen Landesverrats gegen Journalisten ermittelt: Im Jahr 1962, der Vorgang ging als SPIEGEL-Affäre in die Geschichte ein.

Um welche Artikel geht es, und was steht da drin?

Die Bundesanwaltschaft nennt zwei Artikel aus dem Februar, beziehungsweise dem April dieses Jahres als Ermittlungsgrund: "Geheimer Geldregen: Verfassungsschutz arbeitet an Massenauswertung von Internetinhalten (Updates)",  veröffentlicht im Februar dieses Jahres und "Geheime Referatsgruppe: Wir präsentieren die neue Verfassungsschutz-Einheit zum Ausbau der Internet-Überwachung"  vom April. In beiden Artikeln veröffentlicht das Blog als "nur für den Dienstgebrauch (VS)" eingestufte Dokumente. In dem Artikel vom Februar stehen Auszüge aus dem geheimen Haushaltsplan für den Bundesverfassungsschutz aus dem Jahr 2013. Im April veröffentlichte Netzpolitik.org dann ein Konzept des Bundesverfassungsschutzes "zur Errichtung einer Referatsgruppe 3C 'Erweiterte Fachunterstützung Internet'". Zusätzlich präsentierte Autor Andre Meister den Personalplan der neuen Abteilung 3C. In beiden Artikeln geht es um die Pläne des Verfassungsschutzes, seine Internetüberwachung auszuweiten.

Was ist von der Meldung einiger Medien zu halten, der Generalbundesanwalt hätte die Ermittlungen vorerst gestoppt?

Der Generalbundesanwalt hat gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" lediglich erklärt , er werde von "nach der Strafprozessordnung möglichen Exekutivmaßnahmen" absehen, bis ein zu dem Fall angefordertes Gutachten vorliegt. Im Klartext bedeutet das: Der Fall läuft weiter, es wird aber wohl keine Durchsuchungen oder ähnliche Maßnahmen geben, bis das von Generalbundesanwalt Harald Range in Auftrag gegebene Gutachten fertig ist. Es betrifft die Kernfrage des Falles: Ob nämlich der Straftatbestand des Landesverrats mit dem Veröffentlichen dieser speziellen Dokumente überhaupt erfüllt ist. Ist die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch die Veröffentlichung gefährdet? Handelt es sich bei einem Personalplan des Verfassungsschutzes tatsächlich um ein Staatsgeheimnis? Erst, wenn das Gutachten zu dieser Frage vorliegt, will Range weiter ermitteln. Das bedeutet aber keinesfalls, dass die Ermittlungen bereits eingestellt sind, sie ruhen lediglich vorläufig.

mos/cis