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Vitamin C

Klassiker im neuen Licht

Neue Erkenntnisse zeigen, dass hoch dosiertes Vitamin C proo­xidative Wirkungen entfaltet und epigenetische Prozesse beeinflusst. Dies könnte bei der Behandlung von Krebserkrankungen eine wichtige Rolle spielen. Nur ist es mit dem Verzehr von frischem Obst nicht getan: Eine intravenöse Gabe erscheint notwendig.
Burkhard Kleuser
12.05.2019  08:00 Uhr

Doch der Reihe nach: Vitamin C wurde 1928 von dem ungarischen Wissenschaftler Albert Szent-Györgyi aus Paprikaschoten und Kohl durch Kristallisationsversuche isoliert (1). In den nachfolgenden Jahren konnte er während seiner wissenschaftlichen Tätigkeiten beweisen, dass es sich um eine gegen Skorbut wirksame Substanz handelt (2).

Die Struktur wurde 1933 von dem britischen Chemiker Norman Haworth aufgeklärt, der gemeinsam mit Szent-Györgyi auch den Namen von ursprünglich Hexuronsäure in L-Ascorbinsäure änderte (3). Bereits ein Jahr später gelang Haworth gemeinsam mit dem Schweizer Chemiker Tadeus Reichstein die Synthese von L-Ascorbinsäure aus Glucose, sodass es für weitere Forschungen in ausreichender Menge zur Verfügung stand (4). Szent-Györgyi erhielt 1937 für seine Arbeiten über Vitamin C den Nobelpreis für Medizin, Haworth den Nobelpreis für Chemie.

Radikalfänger und Cofaktor

Im Gegensatz zu den meisten Wirbeltieren hat der Mensch im Laufe der Evolution seine Fähigkeit verloren, Vitamin C zu bilden. Die Biosynthese von Vitamin C erfolgt ausgehend von Glucose und führt über mehrere Reaktionsschritte zu L-Gulonolacton. In einem letzten Schritt katalysiert das Enzym Gulonolacton-Oxidase die spezifische Oxidation desL-Gulonolactons zu Ascorbinsäure.

Eine Mutation des Gulo-Gens, des Gens also, das für die Bildung der funktionalen Gulonolacton-Oxidase verantwortlich ist, führt beim Menschen dazu, dass er keine Ascorbinsäure mehr bilden kann und diese zugeführt werden muss (5). Ohne ausreichende Zufuhr von Vitamin C kommt es bei ihm daher zu einer Hypovitaminose, die sich als Skorbut vor allem an Geweben mit hoher Kollagenbildung wie Bindegewebe, Knochen, Knorpel und Blutgefäßen manifestiert. Denn Vitamin C ist für die Bildung von Hydroxyprolin und Hydroxylysin in Kollagen zuständig. Beide modifizierten Aminosäuren sind für den stabilen Kollagenaufbau notwendig.

Auch an der Umwandlung von Dop­amin zu Noradrenalin und der Bildung von Carnitin ist Vitamin C beteiligt (6). Symptome eines Mangels äußern sich in Zahnfleischbluten, Zahnfleischwucherungen, schlechter Wundheilung und Entzündungen der Gelenke, aber auch in Müdigkeit und Erschöpfungszuständen.

Um eine Hypovitaminose zu vermeiden, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung eine Vitamin-C-Zufuhr, die abhängig vom Alter und Geschlecht ist. Bei Erwachsenen beträgt sie 110 mg pro Tag für Männer und 95 mg pro Tag für Frauen. Schwangere und Stillende haben einen erhöhten Bedarf, auch für Raucher wird eine höhere Zufuhr empfohlen.

Die Bedeutung von Vitamin C bei physiologischen Prozessen ist auf seine chemische Struktur zurückzuführen. Als potentes Reduktionsmittel ist es in der Lage, Elektronen auf Empfängermoleküle zu übertragen. Damit verknüpft sind zwei fundamentale Funktionen, nämlich die eines Antioxidans sowie die eines Cofaktors für zahlreiche Enzyme (6). Die Oxidation von L-Ascorbinsäure verläuft über die Zwischenstufe eines relativ unreaktiven Radikals, sprich: Semihydroascorbinsäure hin zur Dehydroascorbinsäure. Als Elektronendonator kann Vitamin C Elektronen auf reaktive freie Radikale übertragen und diese damit unschädlich machen.

Vitamin C ist das wichtigste wasserlösliche, nicht enzymatische Antioxidans sowohl im Plasma als auch im Gewebe. Selbst in geringen Mengen ist es in der Lage, sensible Moleküle wie Proteine, Lipide, Kohlenhydrate und Nukleinsäuren vor einer Schädigung durch Radikale und reaktive Sauerstoffspezies zu bewahren, daher auch der erhöhte Bedarf bei Nikotinkonsum.

Aber auch die Funktion als Cofaktor beruht auf den Redox-Eigenschaften von Vitamin C. Bei einer Reihe von Enzymen, die entweder als Mono- oder Dioxygenasen fungieren, ist Vitamin C in der Lage, das Enzym-gebundene Eisen in der benötigten reduzierten zweiwertigen Form zu halten. Für die Modifizierung der Aminosäuren Prolin und Lysin sind dies beispielsweise die Enzyme Prolyl-4-Hydroxylase und die Lysylhydroxylase. Darüber hinaus weiß man, dass Vitamin C an der Hydroxylierung des »Hypoxie-Induzierbaren Faktors« HIF beteiligt ist.

Erst seit Kurzem ist bekannt, dass Vitamin C auch bei der Regulation von »Ten-Eleven-Translocation« (TET)-Enzymen und »Jumonji domain-containing Histon«-Demethylasen eine zentrale Rolle spielt. Diese Enzyme beeinflussen die Genexpression über epigenetische Prozesse, indem sie die Demethylierung der DNA und der Histone beeinflussen. Diese Funktionen lassen die Bedeutung von Vitamin C vor allem bei Tumorerkrankungen in neuem Licht erscheinen (7).

Wirkung bei Krebs

Nach der Entdeckung und Verfügbarkeit von Vitamin C tauchten zahlreiche Kasuistiken und Einzelfallberichte auf, die Vitamin C eine klinische Überlegenheit bei Tumorerkrankungen bescheinigten (8). In der Folge führten Linus Pauling und Ewan Cameron in den 1970er-Jahren zwei kontrollierte retrospektive Studien durch, bei denen sie Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen täglich 10 Gramm Vitamin C verab­reichten. Dabei beobachteten sie eine Verlängerung der Überlebenszeit (9, 10). Auch eine japanische Studie, die 1978 publiziert wurde, zeigte ähnliche Effekte des Vitamin C bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen (11).

Da es sich bei den Untersuchungen von Pauling und Cameron um nicht randomisierte retrospektive Studien handelte, wurden vom National Cancer Institute der USA zwei randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudien zur Bewertung der Wirkung von hoch dosiertem Vitamin C auf die Symptome und das Überleben von Patienten mit fortgeschrittenen Malignomen initiiert.

Auch hier wurden 10 Gramm Vitamin C täglich verabreicht. Die Studien, die von Creagan und Moertel an der Mayo-Clinic in Rochester durchgeführt wurden, zeigten jedoch keinen Vorteil der Gabe von hoch dosiertem Vitamin C gegenüber der Gabe von Placebo (12, 13). In der Folge wurde eine Supplementation mit Vitamin C in der konventionellen Tumortherapie dann nicht mehr weiterverfolgt.

Tatsächlich gab es jedoch einen fundamentalen Unterschied zwischen den Studien von Pauling/Cameron und Creagan/Moertel hinsichtlich der Applikationsform. Während Pauling und Cameron in den ersten zehn Tagen eine intravenöse Applikation wählten, war dies in den anderen Studien nicht der Fall. Hier erfolgte nur eine perorale Gabe.

Erst in den späten 1990er-Jahren wurde erkannt, dass die Konzentrationen von Vitamin C im Plasma und Gewebe, auch bei hoher oraler Aufnahme, in engen Grenzen gehalten werden. Dies liegt daran, dass die intestinale Aufnahme von Vitamin C über die Na­trium-abhängigen Vitamin C-Transporter (SVCT1/2) reguliert wird (13).

Bei einer täglichen Vitamin-C-Zufuhr von über 200 mg lassen sich die Plasma- und Gewebespiegel kaum weiter erhöhen. Durch eine intravenöse Gabe jedoch lässt sich die regulierte Aufnahme über den Vitamin C-Transporter umgehen.

So konnte bei gesunden Freiwilligen gezeigt werden, dass die orale Gabe der höchst verträglichen Dosis von 3 g alle vier Stunden zu einer maximalen Plasmakonzentration von 0,22 mmol/l führt. Hingegen wurden maximale Plasmakonzentrationen von mehr als 13 mmol/l erreicht, wenn die Vitamin-C-Dosis intravenös appliziert wurde (14). Ähnliche Ergebnisse findet man auch bei Tumorpatienten (15).

Die hohen Plasmaspiegel von Vitamin C halten allerdings nur über eine Halbwertszeit von ungefähr zwei Stunden an, da es auch hier zu einer raschen Metabolisierung und Ausscheidung über die Nieren kommt. Aber diese Untersuchungen zeigen, dass die Applikationsform von Vitamin C entscheidend für die Erzielung hoher pharmakologischer Konzentrationen im Plasma ist.

Toxisches Wasserstoffperoxid

In hohen millimolaren Konzentrationen, die nur durch intravenöse Applikation erreicht werden können, wirkt Vitamin C als Prooxidans und führt zur Bildung von Wasserstoffperoxid, das in der Lage ist, Tumorzellen zu schädigen (16). Dabei scheint es sich um einen indirekten Wirkmechanismus zu handeln.

Durch die exzessive Vitamin-C-induzierte Reduktion von Metallkationen wie Eisen und Kupfer in Enzym- und Proteinkomplexen sind diese wiederum in der Lage, Elektronen auf Sauerstoff zu übertragen, was zu einer Bildung von Wasserstoffperoxid in der Tumorzelle führt. Dieser Mechanismus konnte an verschiedenen Tumorzelllinien nachgewiesen werden und wurde in Studien an Ratten und Mäusen bestätigt (17, 18).

Solange das Vitamin C im Blut zirkuliert, wird nur wenig Wasserstoffperoxid produziert. Grund hierfür scheint zu sein, dass Wasserstoffperoxid durch das Glutathionsystem in den Erythrozyten und im Plasma effizient entgiftet wird. Erst wenn Vitamin C aus der Blutbahn ins Interstitium übertritt, kommt es zu einer intensiven Bildung von Wasserstoffperoxid, welches dann als zytotoxisches Molekül selektiv Tumorzellen schädigen kann.

Diskutiert wird, dass das extrazelluläre Wasserstoffperoxid in die Tu­morzellen diffundiert und dort seine zytotoxische Wirkung über einen ATP-Mangel entfaltet. Weiterhin schädigt es offenbar die Zellmembranen sowie die DNA und beeinträchtigt den Glucosestoffwechsel. Die Wirkung scheint spezifisch bei Tumorzellen zu sein, weil diese im Gegensatz zu gesunden Zellen häufig keine oder nur geringe Aktivitäten von antioxidativen Enzymen wie Katalase, Glutathionperoxidase und Superoxiddismutase aufweisen, die in der Lage wären, Wasserstoffperoxid zu entgiften (19).

In einer Tierstudie wurde die Wirkung von hoch dosiertem parenteral appliziertem Vitamin C auf drei Tu­morentitäten untersucht. Zum einen wurde der Wasserstoffperoxid-Gehalt im Blut und im Interstitium, zum anderen der Einfluss auf das Tumorwachstum gemessen. Bei den Tieren mit i­ntravenöser Vitamin-C-Gabe konnten hohe Konzentrationen an Wasserstoffperoxid im Interstitium, nicht aber im Blut nachgewiesen werden. Zudem reduzierte die Vitamin-C-Infusion das Tumorgewicht und -wachstum um 41 bis 53 Prozent. Bei den Mäusen mit Glioblastomen konnte darüber hinaus die Metastasenbildung verhindert werden (20).

Oft komplette Remission

Eine weitere Möglichkeit, wie Vitamin C eine Wirkung auf Tumorzellen ausüben kann, stellt die Modulation des Hypoxie-Induzierten Faktors HIF dar. Hierbei handelt es sich um einen Transkriptionsfaktor, der eine wichtige Rolle in der Zelle bei Minderversorgung mit Sauerstoff spielt. HIF ist ein Heterodimer, bestehend aus einer a- und b-Untereinheit, wobei die a-Untereinheit an zwei konservierten Prolin-Molekülen hydroxyliert werden kann (21).

Diese Hydroxylierung erfolgt durch die HIF-Hydroxylasen, die als Kosub­strate neben Sauerstoff auch Vitamin C benötigen (22). Sind diese in ausreichender Menge vorhanden, erfolgt ein Abbau des HIF über das Proteasom. Tritt eine Hypoxie und/oder ein Vitamin-C-Mangel auf, kann HIF nicht mehr hydroxyliert und abgebaut werden. Im Zellkern kann HIF dann als Transkrip­tionsfaktor wirksam werden.

Tatsächlich findet man bei vielen Tumorarten aufgrund des raschen Wachstums und der schlechten Blutversorgung häufig hypoxische Bedingungen. Zudem kann bei vielen Tumorpatienten ein niedriger Vitamin-C-Plasmaspiegel nachgewiesen werden (23, 24).

Der nun aktive Transkriptionsfaktor HIF ermöglicht eine Adaption des Tumors an die schlechten Versorgungsbedingungen. Denn es werden Gene abgelesen, die eine bessere Glucoseaufnahme und -verwertung ermöglichen. Vor allem aber erfolgt die Expression des Vascular endothelial growthfactor VEGF, der die Angiogenese und damit die Blutversorgung des Tumors fördert (25).

Tatsächlich findet man bei vielen Tumorarten eine erhöhte HIF-Aktivität, was mit einer schlechten Prognose verknüpft ist. Daher ist HIF ein interessantes Target für die Tumortherapie. So konnte der Zusammenhang zwischen HIF-Aktivität, Vitamin-C-Gabe und Tumorwachstum eindrucksvoll im Tierversuch nachgewiesen werden (26).

Schaltet man bei Mäusen, die normalerweise Vitamin C bilden können, das Gulo-Gen aus, dann kommt es in der Tat zu einer verstärkten Aktivierung von HIF. Bei einer täglichen intraperitonealen Gabe von Vitamin C wird die HIF-Aktivität wieder unterdrückt. Zudem findet man ein verringertes Tumorwachstum, weil weniger neue Blutgefäße gebildet werden (26).

Hinsichtlich der Anwendung von hoch dosiertem intravenösem Vitamin C beim Menschen existieren zahlreiche Fallberichte zur Behandlung fortgeschrittener Tumoren (27–29). Dabei wurde Vitamin C entweder allein oder in Kombination mit einer konventionellen Therapie eingesetzt. In mehreren Fällen wurde eine Regression des Tumors oder sogar eine komplette Remission erreicht. Allerdings fehlen bis heute große klinische Studien, die eine Wirksamkeit von Vitamin C bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen belegen. Das könnte an dem mangelnden Interesse von Pharmafirmen an weiteren Forschungsaktivitäten liegen, da Vitamin C nicht mehr patentierbar ist.

Steigerung der TET2-Aktivität

Erst seit Kurzem weiß man, dass Vitamin C auch Cofaktor der »Ten-Eleven-Translocation« (TET)- Dioxygenasen ist. Die Funktion der Proteine der TET-Familie war lange unbekannt. Zunächst konnte 2009 gezeigt werden, dass humanes TET1 die Konversion von 5-Methylcytosin zu 5-Hydroxymethylcytosin in Säuger-DNA katalysiert, was eine Rolle im Rahmen der epigenetischen Expressionskontrolle nahelegte (30).

Im Jahr 2011 schließlich konnte nachgewiesen werden, dass die Proteine der TET-Familie auch die weitere Oxidation von 5-Methylcytosin zu 5-Formylcytosin und 5-Carboxylcytosin katalysieren. Diese Reaktionsprodukte können durch Basenexzisionsreparatur aus der DNA entfernt werden, sodass es letztlich zu einer DNA-Demethylierung kommt (31).

Die Methylierung von Cytosin in DNA ist eine evolutionär konservierte Möglichkeit zur epigenetischen Modulation, die zum Silencing, das heißt zur Unterdrückung der Expression des betroffenen Gens führt (32). Eine besondere Bedeutung spielt dieser Mechanismus auch bei der Regulation von hämatopoetischen Stammzellen und der Entstehung von Leukämien (33). Bei der akuten myeloischen Leukämie überschwemmen pathologische Klone proliferierender myeloischer Zellen das gesunde Knochenmark und führen zur Verdrängung der gesunden Blutbildung.

Ursachen für die Entstehung einer akuten myeloischen Leukämie sind unterschiedliche Mutationen auch an Genen für Enzyme, die für die DNA-Methylierung und -Demethylierung verantwortlich sind. Hierzu gehört auch das TET2 aus der Enzymfamilie der TET-Dioxygenasen (34). Seine Funktion besteht darin, die Demethylierung der DNA zu bewirken, wodurch Gene aktiviert werden, die Differenzierung und Zellzyklus der Vorläuferzellen beeinflussen. TET2-Mutationen führen demzufolge zu einer überschießenden Zellproliferation, es kommt zur Entwicklung myeloischer Neoplasien.

Im Tiermodell konnte gezeigt werden, dass das partielle Ausschalten von TET2 die Entwicklung von Leukämien zur Folge hat. Werden die Tiere jedoch mit hoch dosiertem Vitamin C behandelt, dann nimmt die TET2-Aktivität zu und das Auftreten einer Leukämie wird komplett unterbunden (35).

Eine erste randomisierte klinische Studie bei akuter myeloischer Leukämie mit intravenösem Vitamin C zeigte deutliche Erfolge. In diese Studie wurden 73 ältere Patienten mit neu diagnostizierter primärer oder sekundärer akuter myeloischer Leukämie eingeschlossen. Eine Gruppe der Patienten erhielt die Kombination aus Decitabin, Granulozyten-Kolonie-stimulierendem Faktor, Cytarabin und Aclarubicin, die zweite Gruppe diese Kombination plus einer täglichen Vitamin-C-Infusion. Bereits nach dem ersten Therapiezyklus zeigten signifikant mehr Patienten in der Vitamin-C-Gruppe eine vollständige Remission (80 versus 44 Prozent), zudem war die mediane Gesamtüberlebenszeit mit 15 versus neun Monate deutlich verlängert (36).

Eine hoch dosierte Vitamin-C-Gabe ist kontraindiziert bei einem Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel, da bei dieser Erkrankung die Menge an reduziertem Glutathion vermindert ist. Da hoch dosiertes Vitamin C zur Bildung von Wasserstoffperoxid führt, kann bei einer verminderten Menge an reduziertem Glutathion dessen antioxidative Schutzwirkung nicht aufrechterhalten werden und es kommt zur Schädigung der Zellmembranen von Erythrozyten (37).

Auch bei eingeschränkter Nierenfunktion sollte man hoch dosiertes intra­venöses Vitamin C nicht anwenden. Denn Oxalsäure ist ein Endprodukt der metabolischen Oxidation von Vitamin C, sodass die Entstehung einer Oxalatnephropathie nicht auszuschließen ist (38). Da Vitamin C in physiologischen Konzentrationen antioxidative Eigenschaften besitzt, ist es denkbar, dass die Wirkung von Tumortherapeutika, die ihren Effekt über die Bildung reaktiver Sauerstoffverbindungen entfalten, abgeschwächt wird. Im Gegensatz dazu entfaltet hoch dosiertes intravenöses Vitamin C aber prooxidative Eigenschaften über die Bildung von Wasserstoffperoxid. Eine synergistische Wirkung bei mehreren Chemotherapeutika wird daher diskutiert (39).

Oral kaum Effekte

Die Untersuchungen von Linus Pauling zu hoch dosiertem Vitamin C (bis zu 10 g) bei Krebserkrankungen erscheinen durch die neuesten Erkenntnisse durchaus bestätigt. Allerdings stellte er auch die These auf, dass hoch dosiertes oral zugeführtes Vitamin C im Grammbereich wirksam gegen grippale Infekte sei.

1970 veröffentlichte der Nobelpreisträger sein populäres Buch »Vitamin C and the Common Cold« (40). Und so ist Vitamin C immer noch ein häufig genutztes Mittel zur Vorbeugung von Erkältungskrankheiten oder Linderung von Symptomen wie Husten oder Schnupfen. Es ist in zahlreichen Medikamenten zur Bekämpfung typischer Erkältungssymptome unter anderem mit Acetylsalicylsäure oder Paracet­amol enthalten.

Bisherige Studien können eine protek­tive Wirkung von Vitamin C bei Erkältungskrankheiten jedoch nicht bestätigen (41). Sie belegen, dass die tägliche orale Einnahme selbst hoher Dosen grippale Infekte nicht verhindern kann. Einen minimalen Effekt findet man bezüglich der Krankheitsdauer. Bei Erwachsenen, die täglich über einen längeren Zeitraum protektiv Vitamin C auch in höheren Dosen eingenommen hatten, dauerte die Erkältung sechseinhalb statt sieben Tage. Die Krankheitsdauer bei Kindern ist immerhin um einen Tag verkürzt. Statt sieben dauert sie studiengemäß sechs Tage.

Eine Besonderheit zeigen Extremsportler. Hier scheint die prophylaktische Einnahme von Vitamin C tatsächlich vor grippalen Infekten zu schützen. Marathonläufer oder Soldaten, die Winterübungen im Gebirge machten, erkrankten nur halb so oft an einer Erkältung, wenn sie zwei bis drei Wochen vor Beginn der körperlichen Extrembelastung mit der Einnahme von Vitamin C starteten (42). Wenn die Erkältung schon da ist, scheint eine Therapie mit Vitamin C keinen positiven Effekt zu besitzen. Studien zeigen, dass weder die Symptome verringert werden noch die Krankheitsdauer verkürzt wird (43).

Wenig bekannt ist, dass die Konzentration von Vitamin C im Kammerwasser des Auges circa 15- bis 20-mal höher als im Plasma ist. Tatsächlich besitzt Vitamin C hier eine enorm wichtige Aufgabe, da das Auge durch die UV-Strahlung einer hohen oxidativen Kapazität ausgesetzt ist. Jugendliche im Himalaya haben aufgrund der dortigen hohen UV-Belastung häufig schon in sehr jungen Jahren eine Linsentrübung.

Im Rahmen einer Studie am Kings College in London wurde die Entwicklung eines Kataraktes bei 324 weiblichen Zwillingspaaren im Alter von 60 bis 70 Jahren über einen Zeitraum von zehn Jahren hinweg beobachtet. Dabei wurde festgestellt, dass genetische Ursachen nur zu einem Drittel für Fortschritt und Schweregrad des Grauen Stars verantwortlich sind. Entscheidend hingegen sind Umweltfaktoren, Lebensstil und Ernährung. Bei den Teilnehmerinnen, die am meisten Vitamin-C-reiche Lebensmittel zu sich nahmen, kam es zu einem deutlich verlangsamten Auftreten einer Linsentrübung als bei denen mit Vitamin-C-armer Ernährung. Allerdings stellte man in der Studie auch fest, dass sich das Katarakt­risiko nicht reduzieren ließ, wenn die Teilnehmerinnen synthetisches Vitamin C zu sich nahmen (44). Erklären lässt sich dies damit, dass Vitamin C oftmals – wie auch im Auge – nur in Kombination mit darüber hinaus zugeführten Nährstoffen positive Effekte zeigt. /

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