Nach dem Brexit-Votum :
„Die Antwort der Wähler auf das Zeitalter der Ungleichheit“

Lesezeit: 2 Min.
Londons Finanzdistrikt: Nanu, jetzt entdecken gerade die (Boni-)Banker, dass Ungleichheit ein Problem sein kann.
Das Brexit-Votum rüttelt die Finanzbranche auf, jetzt warnen gerade die Banker vor Ungleichheit. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

Nach dem Brexit-Votum dämmert es führenden Banken und Fondsgesellschaften, dass die Ungleichheit in der Gesellschaft zu einem ernsthaften Problem für die Finanzmärkte werden könnte. Sowohl die Bank of America als auch die Fondsgesellschaft Pimco warnen Investoren, dass die Kluft zwischen Arm und Reich womöglich zu groß geworden sei und dies zu weiteren politischen Verwerfungen führen könnte.

Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, denn: Gerade die Finanzbranche ist in den vergangenen Jahren doch vor allem dadurch aufgefallen, dass sie sich um die Höhe ihrer Boni sorgte und weniger um das Wohl der Mittel- und Unterschicht.

„Der Brexit ist die Antwort der Wähler auf das Zeitalter der Ungleichheit“, schreibt die Bank of America in einer Analyse. Das Votum sei nicht zuletzt deshalb ein Schock, weil Menschen in einem Land ohne jegliche Wirtschafts- oder Finanzkrise einen derart radikalen politischen Schnitt wollten. Das zeige, dass von der wirtschaftlichen Erholung der vergangenen Jahre offenbar nur ein Teil der Bevölkerung profitiert habe.

Übersetzt auf amerikanische Verhältnisse heißt es in dem Bericht weiter: „Die Wall Street hat gewonnen, die Hauptstraße nicht.“ Die Analysten erwarten nun einen „War on Inequality“, einen Kampf gegen die Ungleichheit, sowie einen wachsenden Einfluss von Populisten in der Politik.

Auch die Fondsgesellschaft Pimco stimmt Anleger darauf ein, dass die Sache mit der Ungleichheit noch ziemlich unangenehm werden könnte: Der Brexit sei ein „Protest-Votum“, Teil einer größeren Bewegung „gegen das Establishment, wachsende Ungleichheit und die Globalisierung insgesamt“, schreibt Ökonom und Geschäftsführer Joachim Fels. Dies werde den Druck auf die Regierungen erhöhen, mehr gegen Ungleichheit zu unternehmen und mittels Steuerpolitik und Regulierung Einkommen stärker umzuverteilen.

Zu dem Tenor der Schreiben passt eine am Dienstag veröffentlichte Erhebung der britischen Denkfabrik Resolution Foundation. Demnach haben sich die Lebensverhältnisse von rund 11 Millionen Haushalten – das entspricht etwa der Hälfte der Arbeitsbevölkerung in Großbritannien – seit dem Jahr 2002 nicht verbessert, sondern sind bestenfalls gleich geblieben oder aber gesunken.

Als Hauptgrund werden geringe bis gar keine Lohnzuwächse bei zugleich deutlich gestiegenen Wohnkosten genannt. Die Autoren sehen darin die Ursache für die „Desillusionierung“ großer Teile der Bevölkerung. Wahlanalysen zufolge waren vor allem Bürger in den früheren Industrieregionen in der Mitte und im Norden des Landes für den Austritt, während das von den Banken in der City mitgeprägte London für den Verbleib in der EU stimmte.