Die automobile Mittelklasse in Deutschland ist hammerhart. In die Armada aus VW Passat, Mercedes C-Klasse, Audi A4, 3er BMW, Opel Insignia oder Ford Mondeo einzubrechen, ist für einen Importeur fast unmöglich. Fragen Sie mal Toyota. Von seinem Flaggschiff Avensis hat der weltgrößte Autohersteller im ganzen vergangenen Jahr 2014 hierzulande gerade mal 3713 Modelle zugelassen. So viele rollen vom Passat alle zwei Wochen vom Händlerhof. Doch die Japaner wissen, wo Potenzial schlummert. Der neue Avensis soll Fuhrparkmanager und Flottenfahrer locken: mit neuem Design, besserer Ausstattung und zeitgemäßen Sicherheitssystemen. Und alles zum gleichen (Einstiegs-)Preis.
Kurs auf die Flotte
Die Front ist neu und erinnert an die des Brennstoffzellen-Autos Mirai.
Schon der erste Blick zeigt: Der Wagen sieht stimmiger aus als der Vorgänger. Die seltsam deformierten Scheinwerfer und Rücklichter sind verschwunden, ebenso wie die bullig exponierten Stoßfänger vorn und hinten. Die Front erinnert mit dem schmalen oberen Kühlergrill, der die beiden LED-Scheinwerfer über eine Chromleiste verbindet, und dem unteren parallel zum Stoßfänger verlaufenden Teil an das Brennstoffzellen-Auto Mirai. Auch Seiten- und Heckansicht mit LED-Rückleuchten wirken wie aus einem Guss. Vor allem beim Kombi, der satt und breit auf der Straße steht und bislang von 90 Prozent der Avensis-Kunden gekauft wurde.
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Im Innenraum zieht Toyota alle Register

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Innen ziehen die Japaner alle Register: Die Einrichtung ist schlicht, aber wertig.
Doch wer Geschäftsfahrer locken will, braucht vor allem innere Werte. Und hier zieht Toyota alle Register. Cockpit und Interieur sind nicht wiederzuerkennen. Schlicht und schnörkellos schwingt sich die Armaturentafel über die gesamte Breite. Darin das Cockpit mit Tachotuben und 4,2-Zoll-TFT-Informationsdsplay dazwischen, alles einheitlich dunkelblau schimmernd hinterleuchtet. Das hat Geschmack und Stil. Ebenso wie der acht Zoll große Touchscreen-Bildschirm mit übersichtlich angeordneten Tasten links und rechts, der die Mittelkonsole dominiert. Dick unterschäumte Oberflächen, matt verchromte Rahmen und Applikationen an Instrumenten, Reglern und Schalthebel sowie Einlagen in Armaturenbrett und Leder-Alcantara-Sitze in Grau oder Terracotta (790 Euro) runden den wertigen Eindruck ab.
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Die neu entwickelten Sitze sind bequem und bieten guten Seitenhalt, können nur leider nicht richtig runtergefahren werden. Schon mittelgroße Menschen haben so das Gefühl, an den Himmel zu stoßen. Der Knopf für die elektrische Parkbremse ist unsinnigerweise tief unterm Lenkrad versteckt. Und wer etwas auf die unsichtbare offene Ablage zwischen Mittelkonsole und –tunnel legt, wird es garantiert nie wiederfinden.

Flüsterleise Diesel dank guter Dämmung

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Im Normalbetrieb sind die beiden Diesel aus der Kooperation mit BMW nicht als solche zu erkennen.
Automobilen Komfort kann man aber nicht nur sehen und fühlen, sondern auch hören. Deshalb haben die Japaner den Avensis in Watte gepackt, sprich: Dämmung und Isolierung an Motorhaube und –abdeckung, hinter Armaturentafel, Handschuhfach und Kotflügel wurden verstärkt, die Diesel bekamen eine zusätzliche Unterboden-Matte. Mit Erfolg. Im Normalbetrieb sind die beiden Diesel aus der Kooperation mit BMW nicht als solche zu erkennen. Erst wenn sie ran müssen, erklingt ihr raues Nageln. Neben dem 1,6-Liter D-4D mit 112 PS, bereits aus dem Verso bekannt, kommt im Avensis erstmals der neue 2-Liter-Diesel mit 143 PS zum Einsatz, den laut Toyotas Prognose mit 44 Prozent die meisten Kunden wählen werden.Keine so schlechte Wahl. Denn das bullige Triebwerk liefert mit 320 Nm ab 1750 Touren einen beachtlichen Schub, der den Avensis in 9,5 Sekunden auf Tempo 100 schnellen lässt. Steile Bergpassagen meistert er damit ebenso mühelos wie das Überhol-Hopping auf der Landstraße oder schaltfaules Bummeln im Stadtverkehr. Fahrwerk und Lenkung arbeiten dabei so, wie man es von einem Business-Gefährt erwarten darf: unauffällig und präzise. Neben Punch und Performance haben die Diesel noch ein dickes Plus: den geringen Verbrauch. Den 1.6 D-4D gibt Toyota mit 4,2 Liter (109 g/km CO2) nach Norm an, der 2.0 D-4D hat im Labor 4,5 Liter (119 g/km CO2) gebraucht (Kombi 4,6). Bei unserer Proberunde hatten wir gut anderthalb Liter mehr auf der Uhr, was immer noch ein guter Wert ist. Benzinmotoren gibt es natürlich auch: Ein 1,6-Liter mit 132 PS und ein 1,8 Liter mit 147 PS kommen zum Einsatz, von denen sich Toyota ein gutes Drittel Absatz verspricht.

Gute Ausstattung zum kleinen Preis

So fährt der neue Avensis
Zum Basispreis von 23.640 Euro startet der Basisbenziner, der günstigste Diesel kostet 26.490 Euro.
Starkes, wenn nicht stärkstes Argument für Business- und Privatkunde ist jedoch das Preis-Leistungs-Verhältnis. Zum unveränderten Basispreis von 23.640 Euro startet der neue Avensis mit dem Basisbenziner, immer mit Klima- und CD-Audioanlage, Lederlenkrad und –schaltknauf sowie elektrischen Fensterhebern. Ebenfalls serienmäßig ist das neue Toyota Safety Sense, bestehend aus einem Kollisionswarner mit automatischer Notbremse, das den Wagen bis Tempo 80 automatisch zum Stehen bringt, bevor es kracht.
Die Dieselpreise beginnen ab 26.490 Euro. Ab der zweiten Stufe Comfort (ab 27.090 Euro) wird das System noch um einen Fernlichtassistenten erweitert, dazu den erwähnten 8-Zoll-Touchscreen, Klimaautomatik und Alufelgen. Die Spur halten und Schilder erkennen kann es außerdem in den Top-Ausstattungen Business (ab 29.240 Euro) und Executive (32.590 Euro). Limousine und Kombi liegen jeweils 1000 Euro auseinander.

Fazit

von

Frank Wald
Das könnte wieder was werden. Der neue Avensis sieht schicker aus als der Vorgänger, bietet im Innenraum dezent geschmackvolles Ambiente und kann mit zeitgemäßen elektronischen Helferchen punkten. Das alles dann noch in einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis – so was mögen dann auch die Deutschen wieder.