EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager bei der Ankündigung der Google-Untersuchung vergangene Woche

Die Ankündigung von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, gegen mögliche Wettbewerbsverstöße von Google vorzugehen, klingt wie eine Machtdemonstration des größten Wirtschaftsblocks der Welt. Aber in Wirklichkeit ist es das Eingeständnis einer Niederlage - der größten und teuersten, die Europa in den vergangenen Jahrzehnten erlebt hat.

Europas Wirtschaft hat ein echtes Problem mit Google. Acht von zehn Suchanfragen gehen über die Server des US-Internetriesen, und dieser dominiert den Werbemarkt - auf Kosten europäischer Medienunternehmen. Eine solche Vormachtstellung verführt zum Missbrauch, den nun die EU-Kommission untersuchen will.

Auf wackeligen Beinen

Allerdings hat das Brüsseler Vorhaben zwei massive Schwächen: Erstens stehen die konkreten Vorwürfe, wie mein Kollege Andreas Proschofsky ausgeführt hat, auf sehr wackeligen Beinen. Google Shopping, das bei der Produktsuche angeblich bevorzugt wird, ist kein wichtiger Spieler, und die App-Angebote auf Android-Handys sind von ausgeprägter Vielfalt. Mit diesen Anwürfen wird die EU-Kommission vor den europäischen Gerichten nicht durchkommen.

Und selbst wenn fragwürdige Geschäftspraktiken festgestellt werden würden, gibt es keine Anzeichen, dass europäische Internet-Nutzer dadurch Schaden erleiden. Und für deren Interessen müsste die Kommission ja kämpfen, nicht für konkurrierende Unternehmen.

Doch genau diese - vor allem deutsche und französische Medienkonzerne - sind die treibende Kraft hinter dem EU-Wettbewerbsverfahren. Der Hauptzweck ist, im strategisch und finanziell so wichtigen Internet-Geschäft für Europa wieder das über Jahre verlorene Terrain gut zu machen.

Internet made in the USA

Europa baut die besten Autos und Maschinen der Welt und produziert den besten Käse. Aber die europäischen Unternehmen haben das Internet in den vergangenen 20 Jahren tatsächlich verschlafen. Nicht nur Google, auch Facebook, Amazon, Apple, Linked-In und alle anderen wichtigen Anbieter kommen aus den USA.

Das ist kein Zufall; die Gründe lassen sich an der Erfolgsstory von Google besonders gut darstellen.

Weder Top-Unis noch Chancen für Einwanderer

Europa hat keine Top-Universitäten wie Harvard und Stanford, und die wenigen, die mithalten können, haben rundherum keine vergleichbare Infrastruktur für Unternehmensgründungen. Es fehlt an Karrierechancen für talentierte Einwanderer wie Google-Gründer Sergey Brin, es fehlt an Risikokapital für die Gründungsphase und an weiteren Finanzierungsquellen für das Wachstum. Vor allem fehlt es, wie der Economist betont, an einem einheitlichen digitalen Markt, in dem erfolgreiche Anbieter wirklich groß werden können.

An all diesen Stellen müsste die EU ansetzen, wenn sie in den kommenden Jahren und Jahrzehnten gegenüber Google und Co. aufholen will. Ein fragwürdiges Wettbewerbsverfahren mit der Androhung von Milliardenstrafen ist der falsche Weg. (Eric Frey, 19.4.2015)