Disruption: Die Energie-Branche ist fällig.

Disruption: Die Energie-Branche ist fällig.

Ende November stimmte die Schweiz über einen vorzeitigen Ausstieg aus der Kernenergie ab. Im Kern(!) ging es darum, die Schweizer Kernkraftwerke, die ältesten weltweit, die noch in Betrieb sind, möglichst schnell abzuschalten. Die Initiative hatte im Vorfeld große Zustimmung und es ist kein Geheimnis, dass ich sie unterstützte. Sieht man sich die Situation allerdings genauer an, wird einem klar, dass es sie überhaupt nicht braucht. Denn die Energie-Branche schlittert gerade in eine Disruption, welche die allermeisten Player auf Dauer nicht überleben werden. Und Kernkraftwerke sind ein großer Teil dieser Misere.

(Lesedauer: 6 Minuten - Weitere Artikel zur Disruption in anderen Branchen)

Die Dezentralisierung der Stromspeicherung wird die ganze Branche umbrechen

Als ich im Mai 2015 mit einem GL-Mitglied eines Stromversorgers über die Tesla Haus-Batterie sprach, war schnell klar, dass er davon noch nie gehört hatte. Als ich ihm sagte, dass ich Leute in seinem Versorgungsgebiet kenne, welche sich bereits eine reserviert hatten, lachte er mich aus und meinte so etwas müsse man ja erstmal installieren dürfen und, zudem, funktioniere das ja wohl nicht wirklich. Von Physik hätte ich keine Ahnung. Es fühlte sich an, wie als ich erstmals mit Vertretern der Autobranche über Elektroautos sprach.

Nun, vor drei Wochen hat einer meiner Nachbarn die erste Tesla Batterie installieren lassen. Das System funktioniert zwar schon, ist aber durchaus noch im, sagen wir mal, „Early Adopter“ Modus. Es ist noch keine One-Stop-Shop Lösung. Der Erfahrung meines Nachbarn nach, hätten die traditionellen Elektro-Installateure alle keine Ahnung was wie funktioniere und was auf dem Markt verfügbar sei.

Kapazität vs. Leistung

Wenn Albert Rösti (ja liebe Deutsche, der heißt wirklich so), Präsident der Schweizerischen Volks Partei und Lobbyist in Sachen Atomkraft im Abstimmungskampf allen eine Laudatio zum Thema "Kapazität vs Leistung" hielt, dann hat er damit grundsätzlich nicht unrecht.

Das Wachstum der installierten Kapazität in der Photovoltaik ist atemberaubend. Und es gibt gute Anzeichen, dass dies erst der Anfang ist. Das Problem auf das Rösti zu recht hinweist ist, dass wir uns von installierter Kapazität erstmal nix kaufen können. Denn es ist alle rund 12h wieder Nacht und manchmal wird die Sonne von Wolken bedeckt und im Winter – just in der Jahreszeit wo wir mehr Strom benötigen – ist durch den veränderten Sonnenstand die Leistung generell schlechter.

Diese Betrachtung ist aber nur insofern korrekt, wenn man außer Acht lässt, dass die Heim-Batterie einen großen Teil dieser Verschiebung der Leistung ermöglicht. Und ja, auch wenn es Winter ist.

Dass Rösti derart schlecht informiert ist, bezweifle ich sehr. Es bleibt mir daher nichts Anderes übrig als anzunehmen, dass es schlicht am Wille fehlt, eine Weiterentwicklung der Stromversorgung in Angriff zu nehmen. Oder, dass persönliche Interessen über jenen des Fortschritts stehen.

So oder so ist es schlicht eine Schande für ein Land wie die Schweiz, dass nicht in neue Wege und Technologien investiert wird. Denn Geld welches in alte, sterbende Technologien investiert wird, ist immer verlorenes Geld. Geld in neue Konzepte und Technologien zu investieren, bedeutet immer neue Jobs und mehr Wirtschaft. Ökotechnologie ist eine DER zukünftigen Wirtschaftsfelder.

Natürlich kosten solche Investitionen immer mal Geld. Im Fall der Energiewirtschaft ist dies aber ziemlich gegenstandslos, denn es zahlen am Schluss immer alles die Bürger. Sei das eine Investition in neue Technologie und Konzepte, ein fehlgeleitetes Festhalten an alter Technologie oder, so sarkastisch das tönt, das Aufräumen eines Super-GAUs.

Die Initiative ist nur daher relevant, weil im Fall eines Super-GAUs die Schweiz schlicht aufhören würde zu existieren. Ich halte die Schweizer KKWs nicht für unsicher – sonst würde ich hier nicht leben. Aber das Abschalten dieser alten Anlagen bedeutet mehr Wirtschaft, mehr Innovation – wieder Pioniergeist. Das können wir Schweizer nämlich sehr wohl – siehe Eisenbahngeschichte der letzten 150 Jahre.

Zurück zur Energiebranche:

Heimbatterie macht viele Energieanbieter obsolet

Tesla ist beileibe nicht der einzige Hersteller, der eine solche Batterie anbietet. Es gibt verschiedene Hersteller welche bereits sehr weit sind und vergleichbare oder sogar bessere Produkte anbieten. Dass sich diese Batterien nicht schneller verbreiten, liegt zum einen daran, dass es sich wirtschaftlich noch nicht rechnet eine solche Installation vorzunehmen. Zum anderen haben die Energieanbieter, welche ja die direkteste Beziehung zum Kunden haben, null Interesse daran auf Batterien zu setzen. Schon bei der Installation von Solarzellen ist das administrative Tam-Tam gewaltig. Ein Schelm wer Böses denkt.

Das ist in erster Linie verständlich. Die Batterien nehmen Ihnen schlicht Geschäft weg. Denn wenn eine Batterie installiert ist, findet viel weniger Transaktion statt. Und Transaktion ist, an was die Energieanbieter verdienen.

Sinkende Preise und steigende Effizienz

Die Batterietechnologie macht rasant Fortschritte. Einerseits werden Batterien massiv günstiger, andererseits steigt ihre Effizienz laufend. Die Forschungsgelder in dem Bereich explodieren gerade – zumal nun auch die Automobilbranche sich anscheinend entschlossen hat in diese Richtung zu gehen.

Auch im Bereich der Photovoltaik wird eine weitere Entwicklung stattfinden. Die Preise für Panels sind in den letzten 10 Jahren bereits zusammengebrochen, was so einigen europäischen Herstellern an die Substanz ging. Zudem zeigt Tesla gerade mit SolarCity wo die Reise der Photovoltaik-Panele hingehen wird: Zum integrierten Dach.

Das simple Kalkül von Tesla: Wenn sie es fertig bringen, eine Solar-Dachkomponente zu entwickeln, die unter dem Strich für den Enduser gleich viel kostet wie ein konventionelles neues Dach, werden praktisch alle neuen Dächer Solaranlagen sein.

Das tönt im Moment alles ziemlich abgefahren. Unwirklich. Sieht man sich die Sachlage aber genauer an, gibt es tatsächlich einen Pfad dorthin. Das ist im Bereich der Photovoltaik ein weiterer Paradigmenwechsel. Denn, stellten Photovoltaikanlagen bislang eine zusätzliche Investition für die Enduser dar, wird sie so zu einem zusätzlichen Benefit einer sowieso notwendigen Ersatzinvestition.

Ist das erst einmal möglich, werden sich die Photovoltaikleistungen wie ein Lauffeuer ausbreiten. Und die Investitionsrechnung auf die Batterie und die Steuerung reduziert. Damit wir der Strom für die Heimverbraucher konkurrenzlos günstig. Damit decken wir in sonnenärmeren Gegenden natürlich nicht den kompletten Bedarf an Strom und, ganz wichtig, wir decken damit auch die Industrieverbraucher nicht. Das müssen wir aber auch nicht per se. Es gibt keine Alles-oder-Nichts Lösungen. Wenn wir es schaffen, das Atom-GAU-Risiko und den CO2-Ausstoss signifikant zu senken ist das schon einiges besser als der Status-Quo.

Smartgrid – Das „Internet“ für Energie

Spannend wird es, wenn es endlich möglich sein wird, diese in den Batterien gespeicherte Energie intelligent auszutauschen. Dieses Konzept, bislang unter dem Namen Smartgrid propagiert, bringt die Vorteile einer dezentralen Stromproduktion- und Speicherung erst richtig zu Geltung. Denn so wird auch die Speicherung dezentralisiert und somit können Regionen mit wenig Produktion von solche mit mehr Produktion gestützt werden.

Die großen Verlierer

Die großen Verlierer sind die klassischen Energieanbieter. Sie sind in den letzten Jahrzehnten davon ausgegangen, dass die technologische Entwicklung graduell verlaufen würde. Und haben ihre Projekte entsprechend auf eine lange Dauer kalkuliert. Das war und ist fundamental falsch, denn man hätte diese Entwicklung sehr wohl absehen können.

Und so stehen sie nun da. Wollen in der Schweiz, wie im Fall des Stromkonzerns Axpo, ihre Atomkraftwerke verschenken und drohen bei der Annahme der Initiative offen mit einer Schadenersatzklage. Das ist nicht nur unanständig, sondern auch vollkommen absurd. Denn sie sind bereits heute nicht mehr in der Lage mit den AKWs Geld zu verdienen. Zudem sind Kosten für den Rückbau, der Entsorgung und die Risiken nicht internalisiert. Sie werden also so oder so von der Allgemeinheit getragen.

Die Eigentümer, allesamt Kantone (Äquivalent zu Bundesländern), wären gut beraten, wenn Sie in diesen Energiebetrieben wie Axpo eine stärkere Rolle übernehmen würden. Und auf einen raschen Umbau und Strategiewechsel pochen würden.

Tipping-Point

Aus heutiger Sicht scheint eine solche Energie-Transformation utopisch. Aber täuschen Sie sich nicht, es gibt in jeder Entwicklung sogenannte Tipping-Points.

Dieser Tipping-Point wird dann erreicht, wenn es für den Konsumenten viel einfacher und günstiger sein wird einen großen Teil seiner Energie selber zu produzieren. Es wird keine Frage der Ideologie mehr sein ob man ein Solardach installiert, sondern eine Frage ob man sich etwas Anderes überhaupt noch leisten kann und will. Meine Erfahrung zeigt, dass die allermeisten Leute sofort pro Umweltschutz sind wenn der Spaß macht und /oder sich Geld sparen lässt. Und offen gestanden, das ist was auch richtig ist. Verzicht ist Rückschritt.

Damit sich das schnell durchsetzt, müssen die entsprechenden Produkte geschaffen werden. Hier ist Tesla ganz vorne mit dabei. Darum hat Tesla SolarCity gekauft. Diese Transaktion, welche aus finanzieller Sicht wie eine Wahnsinnstat aussieht, hat genau diese Energie-Transformation zum Ziel. Das Potential, auch das wirtschaftliche ist immens und kann Tesla zur GE des 21. Jahrhunderts machen.

Dass man mit einem fundamental besseren Produkt eine ganze Branche zum Umkehren bringen kann, hat Tesla in der Automobilbranche eindrücklich bewiesen. Dieses Produkt ist ein Solar-Dach mit Batterie, dass ich online konfigurieren kann und mir zum Pauschalpreis direkt von Tesla installiert wird. Tesla hat von allen Anbietern die besten Karten eine weitere Transformation loszutreten. Der Merger von Tesla und Solarcity ist der erste Schritt auf diesem Weg. Ein Weg der, wohlgemerkt, lang und steinig sein wird. Und die Verlierer dieses Spiels sind gut vernetzt und verwebt in der Politik. Es wird also lange dauern. Am Schluss setzt sich die physikalisch beste Variante durch. Da setzt Tesla an.

(Dieser Artikel erschien ursprünglich auf www.alainveuve.com)

Lutz Bertram

Country Manager @ MetDesk Limited

7y

Danke Alain, gute Information. Aber auch zu beachten: http://www.axpo.com/axpo/ch/de/about-us/axpo-switzerland/dossiers/wind-energy.html und Nein, ich arbeite nicht bei Axpo ;-)

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Joachim Trenz (트랜스 요아힘)

Geschäftsführer bei Inveniens, DIE Karriereberatung für Juristinnen und Juristen. Weil's drauf ankommt!

7y

Toller Artikel, vielen Dank dafür!

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Raymonde Sawal

Integrating strategy & execution across sales, marketing and product management.

7y

Dezentrale Energieversorgung könnte schon längst Teil unserer Energielandschaft sein, leider tatsächlich politisch nicht gewollt, denn ohne Monopolstellung profitieren einzelne nicht mehr und auch der Staat nicht, der dank der Mehrwertsteuer bei jeder Stromrechnung abkassiert. Bisher wurde die Energiewende stets ausgebremst von den Big Playern, aber glücklicherweise sind sie am Absterben, es ist nur eine Frage der Zeit. Nur die Profiteure wachsen immer noch nach und statt der alten Männer sind neue, junge an ihre Stelle getreten. Zu der Stelle mit Herrn Rösti: das erinnert mich daran, wie ich vor 20 Jahren als Atomgegnerin gefragt wurde, ob ich denn einen Kühlschrank zu Hause hätte. Die Strategie bleibt dieselbe: andere als dumm hinstellen, um von der eigenen Dreistigkeit (oder doch Dummheit!) abzulenken.

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Ralf Vollmeier

Vertriebsingenieur bei Emerson Schweiz I Techniker HF Energie- und Umwelttechnik I Funktionale Sicherheit Ingenieur (TUV)

7y

Super, trifft genau den Nagel auf den Kopf. Danke für diesen informativen Artikel!

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Klaus Conrad

Curious, engaged, passionate, straightforward, patient, creative, active human sense user

7y

Ein erneuter "Sieg" der Populisten resp. Lobbyisten..

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