5 neue Architektur- & Designausstellungen im Juli 2018

Während der heißen Sommertage ziehen sich die internationalen Kuratoren in kühlere Gefilde wie Lagerräume, Archive und Bibliotheken zurück, um dort auf den Herbst zu warten. Die logische Konsequenz ist, dass im Juli 2018 nur wenige Architektur- und Designausstellungen ihre Tore öffnen. Dennoch wurden wir an vier kulturellen und meteorologischen Hotspots der Welt fündig, wo die Kuratoren anscheinend an die Juli-Hitze gewöhnt sind.
five new architecture and design exhibitions july 2018

 

„Donald Judd. Specific Furniture“ im San Francisco Museum of Modern Art, San Francisco, Kalifornien

„Fast alle Möbel, die vor und seit den 1920er-Jahren in den Kategorien ‚modern‘ und ‚traditionell‘ entwickelt worden sind“, so der amerikanische Künstler, Designer und Kritiker Donald Judd, „waren für die Kunden Schrott.“1  Dem stimmen wir nicht unbedingt zu, verstehen aber den Hintergrund und sind ihm für seine starke Meinung dankbar, die ihn nicht nur dazu brachte, selbst Möbel zu entwerfen, sondern auch über die Möbelgeschichte und die Grenzen zwischen Kunst und Design nachzudenken. Diese Möbel und Überlegungen sind in der Ausstellung „Specific Furniture“ im San Francisco Museum of Modern Art zu sehen. Donald Judds Möbel muten typischerweise extrem reduziert an, manchmal bestehen sie nur aus ein paar langen Holzelementen, die mit einem simplen Verbindungselement zusammengehalten werden. Charakteristisch ist aber auch die große Faszination, die die Objekte beim Betrachter auslösen bzw. auslösen können. Judd schrieb: „Das Gegenteil von ‚einfach‘ ist ‚kompliziert‘ und nicht ‚komplex‘, was beides sein kann.“ Seine Möbel können als komplex-einfach beschrieben werden. Donald Judd hat mit seinen Arbeiten das Rad nicht neu erfunden, aber dafür handelte er voller Überzeugung, Konstanz und Ehrlichkeit und ermöglichte so besonders eine neue Perspektive auf Möbel, ihre Rolle und ihren Anspruch.

Neben 30 Möbeldesigns und 25 Skizzen und Zeichnungen von Donald Judd beinhaltet die Ausstellung „Specific Furniture“ auch Möbel anderer Designer aus Judds Sammlung, darunter Objekte von Gustav Stickley, Alvar Aalto, Gerrit T. Rietveld oder Ludwig Mies van der Rohe, die mit Judds Arbeiten nicht nur im Diskurs stehen, sondern den Besuchern hoffentlich auch die Gründe für die im obigen Zitat enthaltenen Ausnahmen und somit ein umfassenderes Verständnis von Donald Judds Auffassung von Möbeln vor Augen führen. Offenbar hat dieser Blog auch in San Francisco eifrige Leser, und so ist es erfreulich, dass einige Möbel von den Besuchern getestet und genutzt werden können – und das ist z. B. bei einem Stuhl doch das Wichtigste.

„Donald Judd. Specific Furniture“ wird am Samstag, den 14. Juli im San Francisco Museum of Modern Art, 151 Third Street San Francisco, CA 94103 eröffnet und läuft bis Sonntag, den 4. November.

1. Donald Judd, It’s Hard to Find a Good Lamp, 1993 http://judd.wpengine.com/wp-content/uploads/2016/04/Its_Hard_To_Find_A_Good_Lamp_1993.pdf Accessed 30.06.2018

Donald Judd, Armchair, 1984, part of Donald Judd. Specific Furniture at the San Francisco Museum of Modern Art (Photo © & courtesy of San Francisco Museum of Modern Art)

Donald Judd, Armchair, 1984, Teil der Ausstellung „Donald Judd. Specific Furniture“ im San Francisco Museum of Modern Art (Foto © & mit freundlicher Genehmigung des San Francisco Museum of Modern Art)

„Nordic Urban Spaces“ im Felleshus, Berlin

Oh, Skandinavien! Schöne Menschen tragen schöne Kleidung und essen in ihren schön eingerichteten schönen Wohnungen schön arrangiertes Essen von schönem Geschirr. Trotz unserer zynischen Bemerkungen zum besonders im Social-Media-Bereich befeuerten Bild von „Scandopia“ und dazu, dass die Gesellschaft dieses aufnimmt, ohne es zu hinterfragen, wünschen wir uns doch bei jedem Skandinavien-Besuch, noch ein wenig länger bleiben zu dürfen. Wir erleben Alltägliches, das Stadtbild und das soziale Zusammenleben dort mit einer beinahe kindlichen Freude und finden all das äußerst reizvoll. Zurzeit interssieren wir uns besonders für Malmö. „Nordic Urban Spaces“ wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Stadt- und Regionalplanung der TU Berlin realisiert und soll einen Überblick über zeitgenössische skandinavische Stadtplanung, Architektur und die Einbindung der Öffentlichkeit geben, die auch anderswo als mögliche Lösung in Betracht gezogen werden soll. Unsere Aufmerksamkeit erregt dieser Aspekt ganz besonders, da er einer der Schlüssel zur nachhaltigen Entwicklung ist. Skandinavien kennt nicht immer die Antwort, sondern hat auch Probleme und macht Fehler – bei unserem letzten Schweden-Besuch war unser Hochgeschwindigkeitszug defekt. Nichtsdestotrotz haben skandinavische Designer, Architekten und Stadtplaner einige sehr interessante Lösungen entwickelt und die Art und Weise zu verstehen, wie andere Probleme angehen, hilft auch einem selbst dabei, eigene Lösungen zu finden.

„Nordic Urban Spaces“ wird am Freitag, den 6. Juli im Felleshus, Nordische Botschaften, Rauchstraße 1, 10787 Berlin eröffnet und läuft bis Freitag, den 28. September.

Aalto University Metro Station, Espoo by ALA Architects and Esa Piironen Oy (Photo courtesy Felleshus, Nordic Embassies Cultural Centre)

Metro Station der Aalto Universität, Espoo von ALA Architects und Esa Piironen Oy (Foto mit freundlicher Genehmigung von Felleshus, Nordische Botschaften)

„Toward a Concrete Utopia: Architecture in Yugoslavia, 1948–1980“ im Museum of Modern Art, New York

Obwohl Jugoslawien immer mit dem damaligen Warschauer Vertrag assoziiert wird, ist dies nicht ganz richtig. Jugoslawien war eines der Gründungsmitglieder der Bewegung der Blockfreien Staaten, in die auch Staaten wie Indien und Ghana involviert waren. Trotz seiner geografischen Zugehörigkeit zu Osteuropa entzog sich das Land so nicht nur politisch dem soziokulturellen Druck des Kalten Kriegs, sondern auch dem wenig hilfreichen soziokulturellen Einfluss des Sowjet- oder US-Imperialismus.

Dem MoMa New York zufolge entwickelte sich aufgrund dieses Status in der Nachkriegszeit eine einzigartige jugoslawische Architektur, die im Rahmen der Ausstellung „Toward a Concrete Utopia: Architecture in Yugoslavia, 1948–1980“ erläutert werden soll. Der Ausstellungstitel verrät bereits ein wichtiges Material, obgleich es von den Architekten mit unterschiedlichen Zielen und aufgrund verschiedener Ideologien eingesetzt wurde. „Toward a Concrete Utopia“ zeigt etwa 400 Arbeiten, darunter Zeichnungen, Fotos, Modelle, Filme u. a. von Svetlana Kana Radević, Milica Šterić oder Edvard Ravnikar und soll nicht nur eine interessante Entdeckungsreise durch die jugoslawische Architektur sein, sondern auch eine neue Perspektive auf die allgemeine Entwicklung der Architektur im Europa der Nachkriegszeit bieten. Ost, West, Blockfrei.

„Toward a Concrete Utopia: Architecture in Yugoslavia, 1948–1980“ wird am Sonntag, den 15. Juli im MoMA New York, 18 West 54 Street, New York eröffnet und läuft bis Sonntag, den 13. Januar.

 

Andrija Mutnjaković, National and University Library of Kosovo, 1971–82, Prishtina (Photo: Valentin Jeck, 2016, commissioned by © and courtesy of the Museum of Modern Art New York)

National- und Universitätsbibliothek des Kosovo, Priština von Andrija Mutnjaković, 1971–82 (Foto: Valentin Jeck, 2016, in Auftrag gegeben © und mit freundlicher Genehmigung des Museum of Modern Art New York)

„The Limits to Growth! Design and no-growth“ im Centre d’Innovation et de Design au Grand-Hornu, Hornu, Belgien

In dem 1972 vom Club of Rome veröffentlichten Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ weisen die Autoren auf die Endlichkeit der Ressourcen hin und darauf, dass, wenn wir unser Verhalten nicht ändern und uns weiterhin auf ständiges Wachstum konzentrieren – sei es in Bezug auf die Bevölkerung, industrielle Produktion, privates Konsumverhalten usw. – wir dem Untergang geweiht seien. Diese Botschaft ist seit 50 Jahren bekannt, wird ständig wiederholt und einfach ignoriert, zumindest von denjenigen, die aufgrund ihrer Positionen bedeutungsvolle Veränderungen herbeiführen könnten. Damit meinen wir auch euch, liebe Leserinnen und Leser, denn wir leben alle in einer Gesellschaft, die egoistisch bis hin zum unvermeidbaren Tod so viele Dinge wie möglich anhäuft.

Andere schenkten dem Thema mehr Aufmerksamkeit. Da wären zum Beispiel die Hippies, die für solch eine Botschaft sehr empfänglich waren, und in den letzten Jahren haben auch viele von uns das Problem und die Dringlichkeit, dass sich etwas ändern muss, besser verstanden. Auch Designer. Die Ausstellung „The Limits to Growth!“ zeigt vielversprechende Projekte von etwa 30 Künstlern und Designern, darunter Design Studios wie Christien Meinderstma, OpenStructures, Studio Swine oder Julien Phedyaeff und versucht zu verdeutlichen, wie Designer zu einer Welt beitragen können, die sich nicht selbst zerstört, statt wie so oft dazu beizutragen, dass genau das Gegenteil der Fall sein wird. „The Limits to Growth!“ beschäftigt sich in sechs Bereichen mit den Themen bewusste Einfachheit, Recycling, lokale Produktion, Low-Tech, mit dem Kampf gegen vorprogrammierte Veralterung und mit neuen Wirtschaftsmodellen und wirkt so wie eine Ausstellung, die sich mit der Verantwortlichkeit, Funktion und Relevanz von Design im 21. Jahrhundert auseinandersetzt und dabei die Projekte der Designer präsentiert.

„The Limits to Growth! Design and no-growth“ wird am Sonntag, den 1. Juli im Centre d’Innovation et de Design au Grand-Hornu, Rue Sainte-Louise, 82, 7301 Hornu eröffnet und läuft bis Sonntag, den 21. Oktober.

Flessenbootjes by Floris Hovers, part of The Limits to Growth! Design and no-growth at the Centre d'Innovation et de Design au Grand-Hornu

Flessenbootjes von Floris Hovers, Teil der Ausstellung „The Limits to Growth! Design and no-growth“ im Centre d’Innovation et de Design au Grand-Hornu

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