Personaler? Braucht kein Mensch. Sind im letzten Jahrhundert hängengeblieben. Ein reiner Kostenfaktor. In hübscher Regelmäßigkeit wird in der Managementszene die Abschaffung von Personalabteilungen gefordert. Sie lieferten einfachen keinen Beitrag zum Unternehmenserfolg, so heißt es oft. Als HRler (HR, das steht für Human Resources) sollte man eine ordentliche Portion Idealismus und mitunter ein dickes Fell mitbringen. Nicht wenige Topmanager beurteilen Personalarbeit nach dem Aspekt der Geräuschlosigkeit. Wenn sich keiner beschwert: Haken dran. Lobeshymnen sollte man nicht erwarten.
Ich arbeite seit sechs Jahren als Personaler, bin aber nie als solcher ausgebildet worden. Vor der jetzigen Aufgabe habe ich mich in einer Marketingberatung dem Thema Kundenzufriedenheit verschrieben. Ich wusste lange wenig über Arbeitsverträge, Personalverwaltung oder Gehaltsabrechnung. Manchmal stehe ich immer noch da wie ein Idiot. Andererseits bietet das einen Vorteil: Ich war nie "in der Box", habe nicht gelernt, was richtig ist. Von diesem Blickwinkel aus möchte ich beschreiben, wie Personalabteilungen Relevanz (zurück-)gewinnen können, wie sie sich den Stellenwert im Unternehmen erarbeiten können, der ihnen meines Erachtens gebührt.
Die menschliche Ressource
Der Begriff Human Resources birgt eine Doppeldeutigkeit, zwei grundsätzlich verschiedene Denkrichtungen. Gemäß der konventionellen Perspektive geht es um den Menschen als betriebswirtschaftliche Größe, um die Frage, wie sich die humane Ressource im Zusammenspiel mit weiteren Ressourcen des Unternehmens (Finanzmittel, Anlagen usw.) optimal als Produktivfaktor einsetzen lässt. In der BWL dreht sich vieles um Normierung und Skalierungseffekte. Wenn man beispielsweise hohe Stückzahlen eines Produktes herstellen kann, ist das effizienter, als wenn eine Maschine häufig umgerüstet werden muss. Einförmigkeit, Reproduzierbarkeit, lange Laufzeiten: Aus diesen Begriffen speisen sich die Träume des Betriebswirts, zu Recht. Die Frage ist, ob HR-Abteilungen sich selbst – und ihren Unternehmen – einen Gefallen tun, wenn sie ähnliche Prinzipien umfassend auf den Menschen anwenden.
Auch im HR geht es oft um ums Reinpassen und Gleichmachen. Das mag zum Teil der starken Regulierung geschuldet sein, welche das Umfeld prägt, ist aber auch eine Frage der Haltung. Dies zeigt sich bisweilen an der Fachsprache. In Stellenanzeigen wird da regelmäßig nach dem Profil gesucht, welches eine Vakanz bestmöglich ausfüllen kann. Es fehlt ein Puzzleteilchen im großen Spiel. Wer kann die Lücke passgenau schließen? Stellenanzeigen sind nur ein Beispiel unter vielen, in denen sich diese Attitüde ausdrückt. In den letzten 100 Jahren bestand die Aufgabe der Personaler zugespitzt darin, dafür zu sorgen, dass der Mensch zum Unternehmen passt.
Diese
Haltung stößt zunehmend an Grenzen. Da ist zum einen das
erschreckend niedrige Niveau in puncto Mitarbeiterengagement und
-zufriedenheit. Ein großer Teil der Belegschaften weltweit macht
Dienst nach Vorschrift oder hat bereits innerlich gekündigt, so
zeigen es Jahr für Jahr die Gallup-Studie und ähnliche Untersuchungen. Wir stehen als Gesellschaft allerdings
vor einer weiteren Herausforderung: Millionen Menschen werden in den
nächsten Jahren ihren Arbeitsplatz an Roboter, Algorithmen, eine
künstliche Intelligenz (KI) verlieren. Chris Boos, CEO der Firma
Arago, die Unternehmen durch den Einsatz von KI produktiver macht,
sagt dazu: "Wir haben 200 Jahre lang Menschen beigebracht, wie
Maschinen zu arbeiten. Und nun wundern wir uns, dass Maschinen es
besser können."
Das Menschliche als Ressource
Das Problem des mangelnden Engagements rückt zunehmend höher auf der Prioritätenliste der Personaler. Initiativen rund um das Thema Feel-Good-Management haben an Bedeutung gewonnen. Mehr und mehr Unternehmen erkennen, dass Mitarbeiter erfolgreicher agieren, wenn sie nicht nur anwesend sind, sondern mit Freude an ihre Aufgaben herangehen sowie körperlich und geistig gesund bleiben. Allerdings lässt sich argumentieren, dass es sich hier um Symptombekämpfung handelt, während das eigentliche Problem unberührt bleibt. Pointiert ausgedrückt: "Kollege, wir wissen doch, dass dein Job nicht so dolle ist. Als Ausgleich haben wir den Kicker aufgestellt und holen freitags den Yogatrainer ins Haus." Die große Frage ist: Können wir Arbeit als solche derart gestalten, dass aufgepfropftes Feel-Good-Management gar nicht notwendig ist? Weil die Aufgaben und Rahmenbedingungen so attraktiv und sinnstiftend sind, dass Menschen intrinsisch motiviert sind – den Job also um seiner selbst willen machen, nicht wegen der Vergütung und anderer extrinsischer Faktoren?
Bei der Digitalisierung scheint die Marschrichtung vorgegeben: McKinsey hat eine Analyse vorgelegt, die beschreibt, welche Jobs als erste der Automatisierung zum Opfer fallen werden. Synopsis: Arbeit, die gleichförmig und in stabilen Kontexten stattfindet, außerdem kaum echten Kontakt mit Menschen erfordert, wird über kurz oder mittellang digitalisiert, egal ob sie früher als einfach (z. B. Taxifahren) oder akademisch (z.B. Buchhaltung) angesehen wurde. Aufgaben, die abwechslungsreich sind, spontanes und komplexes Problemlösen, echte Kreativität sowie tiefgehenden menschlichen Kontakt erfordern, werden hingegen auf lange Sicht in Menschenhand verbleiben.