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Apothekenautomat

Weder Offizin noch Versandhandel

Der Abgabeautomat des niederländischen Versandhändlers Doc Morris bleibt verboten, entschied das Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe Anfang April. Jetzt liegen die Urteilsgründe vor.
Christina Müller
25.04.2019  16:38 Uhr

Aus der Sicht des VG Karlsruhe handelt es sich bei dem sogenannten Apothekenautomaten, den Doc Morris in der baden-württembergischen Gemeinde Hüffenhardt aufgestellt hatte, weder um eine Präsenzapotheke noch um ein Modell, das dem Versandhandel zuzuordnen wäre. Daher sei der Betrieb nicht von der niederländischen Versandhandelserlaubnis des Unternehmens gedeckt und die Schießung durch das Regierungspräsidium Karlsruhe rechtens.

Seit dem 19. April 2017 hatte Doc Morris in Hüffenhardt eine »pharmazeutische Videoberatung mit angegliederter Arzneimittelabgabe« angeboten. Dazu wurde der Kunde über ein Videoterminal mit einem Apotheker in den Niederlanden verbunden. Dieser entschied unter anderem nach Kontrolle des eingescannten ärztlichen Rezepts über die Ausgabe des von dem Kunden gewünschten Medikaments durch den mit einem Medikamentenlager verbundenen Arzneimittelautomaten.

Regierungspräsidium zog Doc Morris den Stecker

Nur zwei Tage nach Inbetriebnahme hatte das Regierungspräsidium Karlsruhe Doc Morris den Stecker gezogen und die weitere Abgabe apothekenpflichtiger und verschreibungspflichtiger Arzneimittel per Automat untersagt. Der Versender verstoße gegen das Arzneimittelgesetz, da er apothekenpflichtige Arzneimittel außerhalb einer Apotheke und nicht über den Versandhandel in den Verkehr bringe, lautete die Begründung.

Gegen diesen Bescheid hatte die Zur-Rose-Tochter Klage erhoben (Az: 3 K 5393/17). Bei der Abgabe der Medikamente mittels Videochat handele es sich sehr wohl um eine Art des Versandhandels. Das Vorgehen sei daher von der niederländischen Versandhandelserlaubnis gedeckt, hatte Doc Morris argumentiert. Zudem verstoße das behördliche Verbot gegen die im Europarecht verankerte Warenverkehrsfreiheit innerhalb der Union.

Das sieht das VG Karlsruhe anders: Zur Begründung seines Urteils vom 4. April 2019 führt das Verwaltungsgericht aus, die in Hüffenhardt angebotene Videoberatung mit anschließender Arzneimittelausgabe stehe insbesondere mit der in Paragraf 43 des Arzneimittelgesetzes (AMG) normierten Apothekenpflicht im Widerspruch. Der Versender, der keine deutsche Apothekenerlaubnis besitzt, betreibe auch nach eigenem Verständnis in Hüffenhardt keine Apotheke, teilte das VG Karlsruhe mit. Das Inverkehrbringen der Arzneimittel mittels Automaten ist demnach aber auch keine Form des Versandhandels. Gemäß Paragraf 43 AMG »liege ein Versandhandel jedenfalls dann nicht mehr vor, wenn – wie im vorliegenden Fall – nach außen der Eindruck des Betriebs einer Präsenzapotheke erweckt werde«.

Freier Warenverkehr rechtfertigt nicht alles

Das Verbot beschränke auch nicht das Recht des Unternehmens auf Warenverkehrsfreiheit. Der Eingriff in den in der Europäischen Union geltenden Grundsatz des freien Warenverkehrs sei gerechtfertigt, konstatiert das Gericht. Auch nach Europarecht dürfe Personen, die über keine Apothekenbetriebserlaubnis verfügen, der Besitz und der Betrieb einer Apotheke inklusive der Abgabe von Arzneimitteln zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen verwehrt werden.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Zulassung der Berufung beantragen. Zudem darf die Einschätzung der Richter maximal als Etappensieg verstanden werden: Derzeit läuft noch ein Verfahren vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe. Das Urteil fällt voraussichtlich am 15. Mai.

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