ZEIT ONLINE: Sie sagen, jeder könne schlagfertig sein. Wie geht das, Frau Schächtele-Philipp?

Petra Schächtele-Philipp: Meist machen uns gewisse Äußerungen baff und wir sind einen Moment lang aus dem Konzept gebracht. Stress verhindert, dass wir klar denken können und uns schnell eine Antwort einfällt. Hier hilft es, wenn man ein paar Sätze parat hat, mit denen man immer kontern kann. Oder man reagiert mit einer Gegenfrage. Das hilft, um souverän zu bleiben.

Die Standardsätze sollten jedoch nicht zu kompliziert sein, sonst ist man blockiert und verhaspelt sich.

ZEIT ONLINE: Ist Schlagfertigkeit denn überhaupt wichtig?

Schächtele-Philipp: Schlagfertigkeit hilft, besser zu kommunizieren. Sie verbessert das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein. So steigert sich die Selbstwirksamkeit und die Überzeugungskraft. Wer schlagfertig ist, kann auch früher seine Grenze aufzeigen und unfaire verbale Angriffe abwehren.

ZEIT ONLINE: Schüchterne Menschen sind zurückhaltend und stecken deshalb lieber ein, statt sich zu wehren. Wie können sie an ihrer Schlagfertigkeit arbeiten?

Schächtele-Philipp: Schüchterne müssen sich zugestehen, dass es in Ordnung ist, sich zu verteidigen. Denn wenn ich angegriffen werde – und nichts anderes ist eine Verbalattacke –, darf ich mich wehren. Es muss mich nicht jeder lieben, schon gar nicht, wer mich angreift.


Nach einer Attacke hilft es, wieder zu Atem zu kommen und sich eine Schutzzone einzurichten – wortwörtlich oder im übertragenen Sinn. Tiefes Bauchatmen ist das beste Mittel gegen Stress. Tiefe Atmung wirkt direkt auf unser vegetatives System und beruhigt Herzschlag und Blutdruck. Außerdem kann man sich einen Schutzschirm oder eine Schutzweste auch bildlich vorstellen. Das gibt einem das Gefühl von Sicherheit. Diese Maßnahmen müssen meist etwas geübt werden, bevor sie gut funktionieren.

ZEIT ONLINE: Was hilft noch?

Schächtele-Philipp: Das sogenannte Embodiment, die Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche, ist für Schlagfertigkeit ein gutes Konzept. Damit hat sich mein Co-Autor, Peter Kensok, in unserem Buch intensiv auseinandergesetzt. Unsere innere Stärke drücken wir meistens unbewusst mit unserer Körpersprache aus. Emotionen, Gedanken und Vorstellungen sind immer mit neurochemischen Vorgängen verbunden. Wir verkörpern also, was wir empfinden oder denken.
Aber man kann diesen Effekt auch nutzen, um mentale Zustände zu steuern. Wenn wir zum Beispiel eine selbstsichere Körperhaltung einnehmen, dann fühlen wir uns auch sicherer. So können wir in schwierigen Situationen überlegter und damit besser handeln.

ZEIT ONLINE: Wie reagiere ich, wenn mich ein Kollege beschimpft, beispielsweise in dem er mich als "blöde Kuh" tituliert?

Schächtele-Philipp: Weil ich mit dem Kollegen auch zukünftig noch zusammenarbeiten möchte, könnte ich fragen, warum er mich beleidigen will.

So setze ich einerseits eine Grenze und entspanne gleichzeitig die Situation. Beleidigungen können grundsätzlich zurückgewiesen werden. Kann man den Kollegen damit nicht einfangen, sollte man deutlicher werden. Zum Beispiel kann ich ihn auffordern, den Raum zu verlassen, noch einmal hereinzukommen und bei "Guten Tag" wieder anzufangen.

Sie können auch schweigen oder die Äußerung überhören. Dazu ist es sehr wichtig, dass Sie den Blickkontakt halten und Ihren Kollegen erstaunt anschauen. Wirkungsvoll kann dabei auch sein, wenn Sie beide Augenbrauen etwas anheben.

Wenn Sie die Äußerung übergehen möchten, können Sie antworten: "Da fällt mir ein, das wir noch Milch einkaufen müssen". Und wenn Sie humorvoll parieren möchten, passt "Und mit den Ochsen zusammen ziehe ich den Karren aus dem Dreck". Aber solche Sätze müssen einem natürlich situativ einfallen.

ZEIT ONLINE: Wie reagiere ich auf einen persönlichen Angriff wie "Du bist ja sowas von inkompetent!"?

Schächtele-Philipp: Weil Angriffe nie sachlich, sondern auf die Person gerichtet sind, ist es sinnvoll, wieder auf die Sachebene zurückzuführen. Das erreichen Sie, indem Sie die Äußerung übergehen und z.B. sagen: "Kompetenz liegt wie Schönheit im Auge des Betrachters. Und betrachten wir nun die Vorgehensweise einmal bis hierher. Wir haben ..." Oder Sie fragen nach, welcher Fehler den Kollegen zu dieser Äußerung bringt. Wer mit der Sprache spielen möchte, könnte sagen: "Lieber inkonsequent als inkontinent. Statt sich verbal zu bepinkeln, hilf mir lieber!" Allerdings ist auch hier wieder wichtig, wer mein Gegenüber ist. Dem Chef gegenüber wäre die letzte Äußerung nicht professionell. Da bietet sich eine Frage an.