Händler, Architekten und Politiker haben über die Zukunft der Stuttgarter City diskutiert. Dabei übten sie an der Politik des vergangenen Jahres heftige Kritik – unter anderem an der Weichenstellung fürs Milaneo.

Stuttgart - Große Shoppingmalls nehmen die City in die Zange. Traditionsgeschäfte schließen, Ketten ziehen ein. Die innerstädtische Einkaufswelt steht vor großen Umwälzungen und Herausforderungen. Allerorts wird diese Entwicklung mit Spannung und auch Sorge verfolgt. Was passiert als Nächstes, wer geht, wer kommt? Das Forum 3 hatte deshalb zu einer Diskussionsrunde eingeladen.

 

Moderator Ulrich Morgenthaler fragte zu Beginn: „Wer entscheidet, was hier passiert? Gibt es für uns Bürger ein Möglichkeit mitzubestimmen, oder ist die Stadt schon durchweg ein Investorengebiet?“ Ulrich Hangleiter jedenfalls erkennt seine eigene Stadt nicht mehr: „Wenn ich heute durch die Straßen gehe, fühle ich mich fremd“, sagte er. Er wünscht sich eine ein-ladende, urbane Stadt, in der man flanieren und verweilen kann. Enttäuscht ist auch Horst Bansemer, der Inhaber des Geschäfts Tausendschön an der Lautenschlagerstraße. Seit 16 Jahren gibt es dort alles, was Kinderherzen höherschlagen lässt. Doch bald ist es vorbei, im Sommer muss der Laden ausziehen. Die BW-Immobilien habe das gesamte Gebäude gekauft und ihm fristgerecht, aber ohne Begründung, gekündigt. „Alles ist rechtens, doch ich empfinde im Umgang nur Kälte“, sagte Bansemer.

Nur noch für große Ketten interessant

Bisher habe er eine im Vergleich günstige Miete für sein 70 Quadratmeter großes Geschäft gezahlt. Doch er vermutet, dass die zukünftige Miete an die des gegenüber liegenden Bülow-Quartiers angeglichen wird und damit nur noch für große Ketten interessant ist. Wie es weitergeht, weiß er nicht. Ein Stadtteilmanager der Stadt habe ihm empfohlen, nur noch über das Internet zu verkaufen oder sich eine Fläche im Randgebiet zu suchen. Das war keine Hilfe, beklagte der Einzelhändler: „Ob wir unsere familiäre Existenzgrundlage verlieren, interessiert niemanden.“

Für Peter Conradi, Architekt und früher Bundestagsabgeordneter, ist das Problem hausgemacht: „Das was wir heute sehen, ist eine Folge politischer Entscheidungen.“ Wie und was in der Stadt gebaut wird, entscheidet der Gemeinderat mit einem Bebauungsplan. Dieser könne Weichen und Vorgaben festlegen. Als Beispiel nannte Conradi das Europa-Viertel, das für ihn ein „Viertel geringer städtebaulicher und architektonischer Qualität ist“. Es sei Absicht gewesen, die großen Parzellen nach Höchstpreis nur an große Investoren zu vergeben. Es geht aber auch anders, so Conradi und verwies auf das ehemalige Kasernen-Areal in Tübingen, wo hauptsächlich lokale Planer zum Zug kamen.

Keine erkennbare städtebauliche Vision

Der Stadtplaner Luigi Pantisano von der Uni Stuttgart sagte: „Stuttgart genießt unter Stadtplanern keinen guten Ruf.“ Es gebe keine erkennbare städtebauliche Vision. Doch sei eine langfristige Perspektive wichtig. Faktoren wie demografischer Wandel, Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen und Migranten sowie der Kultur müssen einbezogen werden. Die Planung müsse als fortschreitender Prozess begriffen und eine moderne Form der Bürgerbeteiligung gefunden werden.

Auf die Globalisierung machte der Eine-Welt-Regionalpromotor Johannes Lauterbach aufmerksam: „Das Milaneo ist das Symbol für zerstörerische Globalisierung.“ Er spielte damit auf Firmen wie die Billigklamotten-Kette Primark an. Auf der einen Seite werde die Innenstadt zerstört, auf der anderen Seite die Lebensgrundlage von Menschen am Ende der Welt.