Ab 1. August darf ausgebildet werden. Zumindest in dem neu geschaffenen Beruf E-Commerce-Kaufmann. Die Nachfrage ist erstaunlich groß, Unternehmen haben keine Mühe, Lehrstellen zu besetzen. Das gelingt ihnen auch deswegen, weil sie sich vom traditionellen Einzelhandel unterscheiden.

Es wird für Katja einen Strauß Blumen geben und einen feierlich dekorierten Schreibtisch, das muss dann aber reichen, auch, wenn es sich hier um einen historischen Tag handelt. "Wir E-Commerce-ler sind ja dafür bekannt, Titel und Positionen nicht so wichtig zu nehmen." Und deswegen wird Oliver Breitfeld am Mittwoch seine neue Kollegin freundlich, aber ohne Höhenfeuerwerk willkommen heißen.

Trotzdem, wenn der Leiter E-Commerce beim norddeutschen Shopping-Center Dodenhof am Mittwoch seine neue Auszubildende für den Beruf E-Commerce-Kauffrau empfängt, dann markiert das eine neue Ära im Einzelhandel. Denn ab 1. August dieses Jahres darf in diesem Beruf ausgebildet werden, der von allen dafür Verantwortlichen so schnell entwickelt worden ist, wie kaum ein zweiter Lehrberuf.

Das Tempo entspricht dem Wachstum der Branche

Dieses Tempo ist eben auch dem rasant wachsenden Bedarf an Fachleuten für das Thema Onlinehandel geschuldet. Und hier will auch Dodenhof mithalten. Das Unternehmen ist über 100 Jahre alt, klassisch stationär mit insgesamt 170.000 Quadratmetern Verkaufsfläche in Posthausen nahe Bremen und Kaltenkirchen, 30 Kilometer nördlich des Hamburger Flughafens angesiedelt.
Dodenhof-Onlinechef Breitfeld: "Einfach mal loslegen und ausprobieren."
© Dodenhof
Dodenhof-Onlinechef Breitfeld: "Einfach mal loslegen und ausprobieren."
 Seit Oktober 2016 ist Breitfeld bei Dodenhof der Mann für die Themen Onlinehandel und digitale Transformation, zwölf Mitarbeiter umfasst aktuell seine Abteilung, ein dreizehnter wird gesucht. Der Dodenhof-Webshop ging im September 2017 ans Netz, gemessen an der stationären Warenwucht ist das Internetangebot aber noch klein: Rund 2.500 Artikel sind aktuell online verfügbar, bis Ende des Jahres sollen es 10.000 sein.

Kein Problem, jemanden zu finden

Das klingt nach Aufbruch in eine neue Zeit – und hier kann ein junger Mensch eben mitmachen. Dodenhof hat sich relativ spät dafür entschieden, die Lehrstelle zum E-Commerce-Kaufmann auszuschreiben, im Februar war das. "Doch dafür ging es dann recht schnell, jemanden Passendes zu finden", sagt Breitfeld.

Seine Argumente: Arbeiten wie in einem Start-up. Keine Hierarchien, man duzt sich, eine Tischtennisplatte als Besprechungstisch, keine Kleidervorschriften, Möglichkeit für Homeoffice. Breitfelds Abteilung markiert die neue Handelswelt für die Generation von jungen Leuten, die Digital Natives sind, und die um den traditionellen Lehrberuf Einzelhandelskaufmann einen Bogen machen, weil viel zu spießig, viel zu langweilig, viel zu uncool.

Eine große Mehrheit der Onlinehändler will ausbilden

Der neue Beruf kommt anscheinend zur richtigen Zeit – für junge Leute und Unternehmen.  "85 Prozent der von uns befragten Mitglieder haben angegeben, den Beruf ausbilden zu wollen – jetzt oder spätestens im kommenden Jahr", sagt Martin Groß-Albenhausen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer  im Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland.
Gute Laune im Büro: Vorteil für den Onlinehandel
© Fotolia / Antonioguillem
Gute Laune im Büro: Vorteil für den Onlinehandel
 "Wir sehen großes Interesse bei Unternehmen, die einen gewissen Organisationsgrad erreicht haben. Da sind reine Marktplatzhändler dabei, reine Onlineshops, aber auch Multichannel-Händler. Auf unsere Umfrage  hin haben sich viele hundert Unternehmen namentlich und mit der geplanten Anzahl an Ausbildungsplätzen gemeldet."

Mit offener Firmenkultur junge Leute begeistern

Zu den Firmen mit einem "gewissen Organisationsgrad" zählt auch Internetstores, ein reiner Internethändler mit Sitz in Stuttgart, zu dem unter anderem fahrrad.de gehört. Hier wird seit 2012 in verschiedenen Berufen ausgebildet. E-Commerce-Kaufmann lernen ab dem 1. September gleich drei Azubis, alles junge Männer. Auch hier gab es keinen Mangel an Bewerbern, sagt Personalchef Nils Pollex. Vorstellungsgespräch, einen Tag lang mitarbeiten, eine fiktive Mail an einen Kunden schicken – so sah das Bewerbungsprocedere aus. "Ich bin kein Zeugnisfetischist", beschreibt Pollex seine Strategie bei der Auswahl. Note ist Note – aber eine Persönlichkeit ist doch etwas anderes. 

Internetstores wiederum muss einiges bieten, um im Wettkampf um Talente gegen die harte regionale Konkurrenz von Daimler, Bosch oder Porsche bestehen zu können. Pollex spricht von einer offenen Firmenkultur, jeder könne in kurzer Zeit Ideen umsetzen, regelmäßig gebe es große Meetings mit den Chefs, und außerbetriebliche Events runden den Arbeitsalltag ab.

Ein Beruf mit tausend Facetten

Mehr als 1.000 Azubis werden zum Start des neuen Berufs eingestellt, prognostiziert der Handelsverband Deutschland, die Ausbildung ist auf drei Jahre angelegt, offen für alle Schulabgänger, die Vergütung beträgt im ersten Lehrjahr zwischen 700 und 800 Euro.  Es geht hier um einen interdisziplinären Beruf, der die Bandbreite des Onlinehandels abdecken soll. Entwicklung eines Webshops, Gestaltung von Schnittstellen und anderen Vertriebskanälen sowie die Bewirtschaftung von Onlineshops zählen den Ausbildungszielen. Bei Internetstores kommen noch Multichannel-Aspekte hinzu, denn der bisher reine Internethändler plant eigene Läden, die dann von einer eigenen Abteilung geführt werden.

"Das passt doch zum E-Commerce"

Und es geht auch um kaufmännisches Grundwissen. Es gibt zwar für alles eine Ausbildungsrichtlinie, doch manches muss sich noch einpendeln, etwa in den Berufsschulen. Nils Pollex erzählt, dass hier seine Azubis in Stuttgart noch mit den Büro- und Außenhandelskaufleuten in einer Klasse sitzen sollen, wie er gehört habe. "Aktuell wird noch nach einer Lösung gesucht. "
Personalchef Nils Pollex: Offene Firmenkultur bei Internetstores
© Internetstores GmbH
Personalchef Nils Pollex: Offene Firmenkultur bei Internetstores
Der Dodenhof-Kollege Breitfeld findet es nicht schlimm, wenn mit der Ausbildung losgelegt wird, obwohl noch nicht jedes Detail ausgestaltet wurde. "Das passt doch zum E-Commerce. Einfach mal ausprobieren." Es geht hier wahrlich um das berühmte Neuland, wie Kanzlerin Angela Merkel vor ein paar Jahren das Internet bezeichnete.

Am Anfang steht der Ausbilderschein

Eine solide Berufsausbildung anbieten – das ist in der Tat für die meist jungen Onlineunternehmen Neuland. Einfach sagen, so, das machen wir jetzt auch, geht nicht. "Der Ausbilder hat eine pädagogische Funktion. Der Firma muss klar sein, dass sie es hier meist nicht mit Menschen zu tun haben, die schon mehrere Semester an Universitäten gelernt haben und damit Selbstdisziplin und die eine oder andere Lebenserfahrung gesammelt haben", betont Martin Groß-Albenhausen.

Wer ausbilden will, braucht zuerst den Ausbilderschein, der die Befähigung attestiert, jemandem etwas beizubringen. Solche Scheine erwirbt man in Kursen bei den Industrie- und Handelskammern. Dabei geht es um Themen wie Ausbildungsvoraussetzungen prüfen und Ausbildung planen, Ausbildung vorbereiten und bei der Einstellung von Auszubildenden mitwirken, Ausbildung durchführen und Ausbildung abschließen.

Bei Dodenhof wie Internetstores ist das Ziel, für den eigenen Bedarf auszubilden, nach dem Motto: In einem hart umkämpften Arbeitsmarkt qualifizieren wir unsere Fachkräfte von morgen einfach selbst. Damit man auch die Talente bekommt, soll die Ausbildung hochwertig sein. Mag mancherorts der Azubi gerne als billiger Handlanger angesehen werden, gerade auch im Einzelhandel, spricht Oliver Breitfeld von Dodenhof von "mündigen Arbeitskräften". Das gelte auch für Praktikanten, die keineswegs nur zum Kaffeekochen degradiert würden.

Und ein Strauß Blumen ist sowieso immer gut fürs Arbeitsklima.

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