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Glioblastom

Antihistaminikum als Ideengeber

Ein Glibastom, die häufigste, aggressivste und tödlichste Form des Hirntumors Gliom, gehört zu den am meisten gefürchteten Tumoren. Die Nachricht, dass ein Antihistaminikum das Tumowachstum stoppen könnte, lässt aufhorchen.
Theo Dingermann
15.05.2019  08:00 Uhr

Wieder einmal wird von einem interessanten Repurposing, also der Zuweisung einer neuen Indikation für ein altes Arzneimittel, berichtet. Ein unter der Leitung von Pirjo Laakkonen arbeitendes internationales Forscherkonsortium aus Finnland, Schweden und der Schweiz gelang es zu zeigen, dass ein Antihistaminikum bei Glioblastomzellen in einem Mäusemodell den Zelltod auslösen kann. Dabei wird das Absterben der aggressiven Tumorzellen durch undichte Lysosomen verursacht.

Eine Schlüsselrolle für diesen Effekt scheint dem Fettsäure-Bindeprotein Mammary-Derived Growth Inhibitor (MDGI) zuzukommen. Es ist entscheidend am Fettsäuretransport in Zellen beteiligt, aber auch ein bekannter Biomarker für invasive Gliome. Je stärker das MDGI-Gen exprimiert ist, um so höher wird der Malignitätsgrad des Glioms eingestuft.

Das internationale Forscherteam konnte nun zeigen, dass durch eine Blockade des MDGI-Gens in Glioblastomzelllinien der Aufbau lysosomaler Membranen gestört wird. Dies führt zu einem Verlust an Dichtigkeit der Membran. Undichte Lysosomen sind wiederrum ein intrazellulärer Auslöser des Zelltods.

Im Mäusemodell zeigte sich nun, dass die Behandlung mit Clemastin (Tavegil®), das als Antihistaminikum der ersten Generation die Blut-Hirn-Schranke passieren kann, der gleiche Effekt ausgelöst werden kann wie durch eine Blockade des MDGI-Gens. Dies passiert erstaunlicherweise ausschließlich in den Glioblastomzellen, ohne gesunde Zellen zu schädigen.

Zwei Schlüsse lassen diese Ergebnisse zu: Zum einen belegen die Arbeiten die Bedeutung des MDGI für eine funktionierende Lysosomenmembran. Dies könnte nahelegen, die Validität von MDGI beziehungsweise des MDGI-Gens als neue Zielstrukturen für einen therapeutischen Ansatz zu überprüfen. Zum anderen könnten sich Antihistaminika und andere Medikamente, die die Permeabilität der Lysosomenmembran erhöhen, als interessante Ergänzungen zu den etablierten, jedoch alles andere als optimalen Therapieoptionen zur Behandlung eines Glioblastoms anbieten.

Diese interessanten Ergebnisse wurden im Fachjournal »EMBO Molecular Medicine« unter dem Titel »Vulnerability of invasive glioblastoma cells to lysosomal membrane destabilization« beschrieben.

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