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Wie erklärt man Wissenschaft?

Das Verbindungsbüro der Freien Universität in Brüssel bietet den Workshop „Standing up for Science“ zur Wissenschaftskommunikation an / Nächster Workshop: 5. Oktober, Bewerbung bis 10. August 2018

07.08.2018

Kann durch den Impfbus, der regelmäßig auch Berliner und Brandenburger Schulen ansteuert, die Impfquote für Masern erhöht werden? Das untersucht Doktorandin Norma Bethke von der Freien Universität.

Kann durch den Impfbus, der regelmäßig auch Berliner und Brandenburger Schulen ansteuert, die Impfquote für Masern erhöht werden? Das untersucht Doktorandin Norma Bethke von der Freien Universität.
Bildquelle: Norma Bethke

Bis 2020, so hat es die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als globales Ziel gesetzt, sollen Masern ausgerottet sein. Doch noch 2015 gab es in Deutschland knapp 2500 Erkrankungen; in Berlin starb sogar ein Kleinkind. „Die Impfquote in der Gesamtbevölkerung ist nicht hoch genug“, sagt Norma Bethke, Doktorandin der Gesundheitspsychologie an der Freien Universität Berlin. Im Rahmen eines vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Forschungsprojekts der Charité – Universitätsmedizin Berlin untersucht sie, inwiefern ein mobiler, edukativer Ansatz zu einer Erhöhung der Impfquote führen kann. Hierfür fährt ein Team aus zwei Ärztinnen oder Ärzten und zwei Pflegekräften in einem zu einer Arztpraxis umgerüsteten Bus zu Schulen in Berlin und Brandenburg. Das Team untersucht, wie sich eine eigens konzipierte Unterrichtseinheit auf die Gesundheitskompetenz und die Bereitschaft, sich vor Ort impfen zu lassen, von Jugendlichen ab 15 Jahren auswirkt.

In Berlin und Brandenburg gibt es zwar bereits ein Programm auf Länderebene, das Unterrichtsmaterialien für Lehrkräfte zum Thema Impfen zur Verfügung stellt, doch Norma Bethkes Ansatz geht einen Schritt weiter: Ärztinnen oder Ärzte gehen direkt in die Schulklassen, überprüfen Impfpässe und können bei Bedarf auch impfen: „Wenn Regierungen oder der öffentliche Gesundheitsdienst Geld für Impfprogramme ausgeben, müssen systematische Untersuchungen vorliegen, wie die Ziele der WHO erreicht werden können“, sagt Norma Bethke. Noch sei die Bundesrepublik bei der Masern-Impfquote von den WHO-Zielen weit entfernt.

Norma Bethke, Doktorandin der Gesundheitspsychologie, und Claudia Siegel (rechts), Leiterin des Verbindungsbüros der Freien Universität Berlin in Brüssel.

Norma Bethke, Doktorandin der Gesundheitspsychologie, und Claudia Siegel (rechts), Leiterin des Verbindungsbüros der Freien Universität Berlin in Brüssel.
Bildquelle: Jonas Huggins

Ebenso wichtig sei es, sicherzustellen, dass Politikerinnen und Politiker anschließend von den Forschungsergebnissen erführen. Das sei keine leichte Aufgabe, erläutert Claudia Siegel, Leiterin des Brüsseler Verbindungsbüros der Freien Universität Berlin: „Viele Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler fragen sich, wie sie ihre Expertise Politikerinnen und Politikern vermitteln können.“

Um sie beim Wissenstransfer an Politik, Medien und Öffentlichkeit zu unterstützen, ist die Freie Universität im vergangenen Jahr eine Partnerschaft mit der unabhängigen Initiative Sense About Science eingegangen. Bereits zwei Gruppen junger Forscherinnen und Forscher – unter ihnen auch Norma Bethke – haben das Beratungsangebot im Rahmen eines Workshops angenommen. Um einen Überblick über das komplizierte Institutionengeflecht in der europäischen Politik zu vermitteln, hat Claudia Siegel die Workshop-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer zusätzlich in das Brüsseler Verbindungsbüro eingeladen – und ihnen die wichtigsten Akteure auf dem „Brüsseler Parkett“ vorgestellt.

Forschungsergebnisse an Politik und Gesellschaft kommunizieren

„Die Frage: Wie erkläre ich Wissenschaft? gewinnt zunehmend an Bedeutung“, sagt Claudia Siegel. Weil Wissenschaft durch öffentliche Gelder finanziert werde, müsse sie transparent machen, wie sie diese verwendet. Aber auch die Bevölkerung soll die Möglichkeit haben, die Bedeutung von Wissenschaft besser zu verstehen – so die Forderung der Politik. Das sei nicht immer einfach, sagt Claudia Siegel – etwa wenn es darum gehe zu erklären, warum man einer Forschungsfrage nachgehe, die vielleicht erst in 15 oder 20 Jahren zu einer Anwendung führt. Gleichzeitig wachse die Sorge, dass in Zeiten von Fake News und zunehmender Wissenschaftsskepsis das Vertrauen in wissenschaftliche Expertise verloren gehe. „Die Wissenschaft ist nicht so extrovertiert, dass sie sich lautstark verteidigen würde“, sagt Claudia Siegel. „Wir möchten aber Forscherinnen und Forscher ermutigen, aufzustehen und ihre Erkenntnisse zu verteidigen.“

Workshop „Standing up for Science“

Nach dem Workshop „Standing up for Science“ hat Norma Bethke eine bessere Vorstellung davon, was sie tun kann, damit Politik und Öffentlichkeit von den Ergebnissen der Impfstudie erfahren. Der zwölf Meter lange „Präventionsbus“, mit dem das Impfprojekt durchgeführt wird, fällt auf Berliner und Brandenburger Straßen und vor Schulen auf. Dadurch rücken Gesundheitsthemen wie Impfen in den Blickwinkel der Öffentlichkeit. An diese Sichtbarkeit möchte die Doktorandin anknüpfen: Sie will sich früh und breit vernetzen, sei es auf Twitter oder über persönliche Kontakte mit Ansprechpartnerinnen und -partnern aus dem Gesundheitsbereich. So steht Norma Bethke beispielsweise mit Vertreterinnen und Vertretern einer Berliner Nichtregierungsorganisation im Austausch, die sich der Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse verschrieben hat und berät mit ihnen über eine mögliche Kooperation.

Über aktuelle Herausforderungen in der Wissenschaftskommunikation haben Norma Bethke und Claudia Siegel kürzlich bei einer Podiumsdiskussion auf dem Euro Science Open Forum in Toulouse debattiert, der größten wissenschaftlichen Konferenz in Europa. Mit David Mair von der Gemeinsamen Forschungsstelle (JRC) der Europäischen Kommission und Pearl Dykstra, einem von acht unabhängigen Wissenschaftsberaterinnen und -beratern der Kommission, saßen auch zwei Experten aus der EU-Politikberatung auf dem Podium. „Die beiden Vertreter der politischen Ebene haben den Teilnehmern gute Tipps gegeben“, sagt Claudia Siegel.

Wichtige Anlaufstelle an der Universität: Forschungsberatung

Zu oft bleibe es allerdings dem Zufall überlassen, ob es gelingt, die richtigen Kontakte zu knüpfen. „Nicht alle wissen, dass es an den Universitäten eine Forschungsberatung gibt“, stellt Claudia Siegel fest. Und auch das Brüsseler Verbindungsbüro, das dabei unterstützt, die Forschung der Freien Universität im Zentrum der EU-Politik sichtbar zu machen, ist dieser Zielgruppe nicht immer bekannt. Der Workshop „Standing up for Science“ soll jungen Forscherinnen und Forschern einen strukturierten Zugang zur Politik eröffnen und das nötige Handwerkszeug vermitteln, ihre Forschung selbstständig und anlassbezogen zu kommunizieren.

Norma Bethke hofft, dass sie auf dem Euro Science Open Forum in Toulouse andere Nachwuchsforscherinnen und -forscher motivieren konnte, sich mit Wissenschaftskommunikation auseinanderzusetzen. Zwischen Veröffentlichungen in Journals und Besuchen auf Forschungskolloquien und Fachkongressen sollte man ihrer Ansicht nach sicherstellen, dass die erarbeiteten Forschungsergebnisse dort in Politik und Gesellschaft ankommen, wo sie gebraucht werden. „Es bringt nur Vorteile, wenn man sowohl mit Laien als auch mit Politikerinnen und Politikern ins Gespräch kommt und die Verbreitung der eigenen Forschungsergebnisse aktiv verfolgt“, sagt die Gesundheitspsychologin.

Weitere Informationen

Der nächste Workshop „Standing up for Science” findet am 5. Oktober 2018 in Brüssel in englischer Sprache statt. Interessierte Doktorandinnen und Doktoranden sowie Postdocs können sich bis zum 10. August um 17 Uhr online bewerben.