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LAK Hessen

Spahn gibt die Gleichpreisigkeit auf

Die Landesapothekerkammer (LAK) Hessen hält den Transfer des Rx-Boni-Verbots vom Arzneimittelgesetz (AMG) ins Sozialrecht weder für rechtssicher noch für zielführend. Sie fürchtet um die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten, sollte der Minister an der Neuregelung festhalten.
Christina Müller
25.04.2019  11:06 Uhr

In einer Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken geht die LAK Hessen mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hart ins Gericht. Ein Kernziel des Referentenentwurfs ist es, das Verbot von Preisnachlässen auf verschreibungspflichtige Medikamente im Fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) zu verankern, um ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission zu umschiffen. Diese sieht in der entsprechenden Vorschrift im AMG eine unzulässige Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit innerhalb der Union und drängt die Bundesrepublik bereits seit 2013 dazu, den Passus im AMG, der die Preisbindung auf Versender mit Sitz im EU-Ausland ausweitet, zu kippen.

Die LAK Hessen hält den Ansatz des Gesundheitsministers jedoch für verfehlt. Sie lehnt die Aufhebung des Paragrafen 78 Absatz 1 Satz 4 im Arzneimittelrecht ab, da »der Bundesgesetzgeber damit das Prinzip der Gleichpreisigkeit verschreibungspflichtiger Arzneimittel aufgibt und die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln gefährdet«. Die vorgesehene Ergänzung im SGB V sei nicht geeignet, das angestrebte Ziel zu erreichen, heißt es. Denn eine dort festgeschriebene Preisbindung würde weder für Privatversicherte noch für Selbstzahler oder Beihilfeberechtigte gelten.

Ohne Notifizierung keine Sicherheit

Zudem entfalte die geplante Rechtsänderung für Versicherte in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in gleichem Maße wie die bestehende Regelung im AMG europarechtliche Wirkung. »Daher ist für die Einführung ein sogenanntes Notifizierungsverfahren notwendig, bei dem davon ausgegangen werden muss, dass auch hier die Europäische Kommission einen Verstoß gegen die Grundfreiheit des freien Warenverkehrs annimmt«, schreibt die Kammer. Sollte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) kein solches Verfahren anstreben, könnte das Gesamtpaket in einer späteren Auseinandersetzung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) schon aus formellen Gründen scheitern, fürchten die Apotheker. »Hielte dieser nämlich ein Notifizierungsverfahren für notwendig, würde dies zur Unanwendbarkeit der Vorschrift führen und damit zur vollständigen Zielverfehlung.«

Während die LAK diesen Part des Gesetzentwurfs als »Aufgabe ordnungspolitischer Grundsätze« kritisiert, gefallen ihr andere Teile des Spahn-Pakets offenbar deutlich besser. Ärzten soll es demnach künftig erlaubt sein, Verordnungen auszustellen, die der Apotheker bis zu dreimal innerhalb eines Jahres zulasten der GKV beliefern darf. Dagegen bestehen aus Sicht der Kammer keine rechtlichen Bedenken. Sie warnt jedoch davor, ein Kompetenzgerangel zwischen Pharmazeuten und Medizinern zu provozieren. »Für eine mit der geplanten Änderung möglicherweise einhergehende politische Diskussion ist es wichtig, dass mit der Wiedereinführung des sogenannten Wiederholungsverordnungsrezepts die grundsätzliche Trennung der Berufsausübung zwischen Ärzten und Apothekern bestehen bleibt.«

Vorsicht beim Botendienst

Auch zwischen Botendienst und Versandhandel gelte es klar zu trennen, betonen die Hessen. Dabei sei es jedoch wichtig, dass mit dem Botendienst als neue Versorgungsform neben Präsenzapotheke und Versandhandel kein eigenes Regelungsregime entstehe, das die Vor-Ort-Apotheken auf Arzneimittelverwahrstellen reduziere oder die Grenzen zwischen Offizin und Versandapotheke verwische.

Darüber hinaus begrüßt die LAK das Vorhaben, das Zuweisungsverbot auf elektronische Rezepte auszuweiten. »Gleichwohl muss der Adressatenkreis der Norm um Personen, die gewerbsmäßig mit Verschreibungen handeln oder makeln, ergänzt werden«, fordert sie. Derzeit beziehe sich die Neuregelung lediglich auf Apotheken- und Praxispersonal sowie andere Behandler. Das gewerbsmäßige Rezepte-Makeln »wird hiervon nicht umfasst, sodass sich ein Graumarkt im Bereich der Zuweisung von ärztlichen Verordnungen bilden kann«, befürchten die Apotheker. »Dem würde die vorgeschlagene Rechtsergänzung entgegen wirken.«

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