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Entsetzen in Eichwalde. Unmittelbar nach der Tat war die Gemeinde im Berliner Umland schockiert. Auch mit dem Prozessbeginn schwindet die Fassungslosigkeit nicht.

© picture alliance / dpa

Mordprozess in Cottbus: Mit 78 Messerstichen getötet: Alyssa hatte keine Chance

Der mutmaßliche Mörder eines Mädchens aus Eichwalde steht jetzt vor Gericht. Die 14-jährige Alyssa verblutete nur 400 Meter von ihrem Elternhaus entfernt.

Von Sandra Dassler

"Das ist einfach nur unfassbar grausam!“ Der Zuhörer kann sein Entsetzen nicht verbergen. „Ich habe es kaum ertragen, als die Anklageschrift verlesen wurde.“ Er verfolgt den Prozess, der kürzlich im Landgericht Cottbus begonnen hat, den Prozess um die Ermordung der 14-jährigen Alyssa aus Eichwalde.

Es ist eines der schlimmsten Verbrechen seit Jahren. Angeklagt ist ein 20-jähriger Schüler aus Nordrhein-Westfalen. Er soll das Mädchen im Berliner Umland am 18. November vergangenen Jahres getötet haben – mit nicht weniger als 78 Messerstichen.

Über die Tat wurde viel geschrieben. Nicht alles entspreche den Tatsachen, sagt Sven Peitzner. Der Berliner Rechtsanwalt vertritt die Nebenkläger – Alyssas Eltern, die noch immer traumatisiert sind. Sie kannten den mutmaßlichen Mörder, mehr noch, sie beherbergten ihn unter ihrem Dach.

Alyssa hatte den jungen Mann über das gemeinsame Interesse an japanischen Comics, so genannten Mangas, im Internet kennengelernt. Nachdem sie wochenlang gechattet hatten, bat der junge Mann um ein Treffen, und Alyssa fragte ihre Eltern. Die schlugen vor, dass dieses in Eichwalde stattfinden sollte, denn sie wollten ihre 14-jährige Tochter nicht allein mit dem Unbekannten lassen. Im Oktober reiste der junge Mann in Eichwalde an, durfte sogar in Alyssas Elternhaus übernachten – er bekam ein separates Zimmer.

Die Begegnung verlief für Alyssa wohl eher ernüchternd. Als sie danach den Kontakt etwas zurückhaltender gestalten wollte, passte das dem jungen Mann nicht. Im Internet bedrängte er Alyssa, in die er sich angeblich unsterblich verliebt hatte, wurde weinerlich, drohte gar, sich umzubringen, wenn sie ihn verlasse.

„Was heißt: verlassen?“, fragt Rechtsanwalt Peitzner. „Sie hatten sich ja nur zweimal gesehen.“ Auch Alyssas Eltern rieten ihr von der Bekanntschaft ab, willigten aber in ein weiteres Treffen ein, bei dem die Tochter dem ungebetenen Verehrer dann erklärte, sie wünsche keinen näheren Kontakt. Alyssas Mutter brachte ihn am Sonntag zum Zentralen Busbahnhof nach Berlin. Doch der junge Mann stieg nicht ein, schickte dann mehrere SMS – angeblich von „unterwegs“.

In Wahrheit blieb er in Berlin, fuhr am nächsten Morgen nach Eichwalde und lauerte Alyssa auf. Da sie an diesem Montag einen anderen Weg als üblich benutzte, verfehlte er sie und fuhr für ein paar Stunden nach Berlin. Am Nachmittag traf er dann auf das Mädchen, das in Begleitung eines Schulkameraden war.

Es kam zum Streit, und als Alyssa sich umdrehte, schlug der 20-Jährige laut Anklageschrift dem Mädchen eine Bierflasche auf den Kopf und begann, auf sie einzustechen. Alyssa hatte keine Chance. „Er trug zwei Messer bei sich“, sagt Anwalt Peitzner, „eine Klinge zehn, die andere 20 Zentimeter lang.“ Alyssa verblutete nur 400 Meter von ihrem Elternhaus entfernt; ihr Schulkamerad, der helfen wollte, wurde ebenfalls verletzt.

Deshalb ist der 20-Jährige nicht nur wegen Mordes, sondern auch wegen Körperverletzung angeklagt. Bislang schweigt er, seine Anwälte haben, wie berichtet, erst einmal einen Befangenheitsantrag gegen das Cottbuser Landgericht gestellt, der allerdings kaum Aussicht auf Erfolg haben dürfte. Ansonsten hat die Jugendstrafkammer des Cottbuser Landgerichts bislang sechs Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil könnte Anfang November gesprochen werden. Anwalt Sven Peitzner sieht das Mordmerkmal der Heimtücke als erfüllt an – jedenfalls nach Aktenlage.

15 Jahre müsste der Angeklagte nach Jugendstrafrecht höchstens ins Gefängnis – Rechtsanwalt Sven Peitzner hat Alyssas Eltern auf ein solches Strafmaß vorbereitet. Es könnte allerdings auch sein, dass der psychiatrische Gutachter dem jungen Mann eine entsprechende Krankheit attestiert und das Gericht sich für eine dauerhafte Unterbringung im Maßregelvollzug entscheidet.

Offenbar hatte der Tatverdächtige, obwohl sechs Jahre älter als die 14-jährige Alyssa, eine sehr viel romantischere und unrealistischere Vorstellung von der im Internet begonnenen Beziehung. Freundinnen des Mädchens berichteten, er habe schon von Heirat gesprochen. Nach der Tat hatte er vergeblich versucht, sich umzubringen. Aus seinem Abschiedsbrief, so die Anklage, sei abzulesen, dass er Alyssas Tod geplant hatte.

Der Prozess wird am 5. September fortgesetzt.

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