Mit der App Snapchat können Nutzer eigene Bilder und Videos verschicken, die gleich nach dem Ansehen wieder verschwinden. Von Investoren wird Snapchat inzwischen mit nahezu zehn Milliarden Dollar bewertet. Die bekannte Finanzfirma Kleiner Perkins habe sich auf dieser Basis auf eine Investition von 20 Millionen Dollar geeinigt, schrieb das Wall Street Journal am Dienstag unter Berufung auf informierte Personen. Das würde ihr einen Anteil von etwa 0,2 Prozent an Snapchat bringen. Kleiner Perkins gehört zu den prominenten Start-up-Finanzierern und hatte unter anderem in Google und Amazon investiert.

Snapchat hat dem Bericht zufolge inzwischen rund 100 Millionen aktive Nutzer. Damit spielt sie bald in der Liga von Twitter. Der Fotodienst schlug im vergangenen Jahr ein Kaufangebot von Facebook aus, das bei drei Milliarden Dollar gelegen haben soll. Facebook übernahm wenig später den Kurznachrichtendienst WhatsApp, für rund 19 Milliarden Dollar. 

Aber warum sind sich selbstlöschende Botschaften das nächste große Ding? Ständig heißt es, besonders Jugendliche würden die App nutzen, um sich gegenseitig anzügliche Fotos zu schicken ("Sexting"). Aber das ist, wenn überhaupt, nur eine von mehreren Erklärungen für die Popularität von Snapchat. Denn dass sich solche Fotos natürlich doch speichern lassen, hat sich längst herumgesprochen. Spektakuläre Hacks und Aufsätze von Sicherheitsforschern wie Bruce Schneier dürften auch dem Letzten klargemacht haben, dass Snapchat, Wickr und andere Apps nicht geeignet sind, um sicher und für andere unsichtbar zu kommunizieren.

Eine etwas differenziertere Erklärung für den Erfolg der Apps zur "vergänglichen" Kommunikation lautet: Insbesondere junge Menschen wünschen sich eine Alternative zur Facebook-Timeline, die wie ein Archiv wirkt und deren Einträge oftmals zu lange für zu viele Menschen sichtbar sind.    

Snapchat verlangt Aufmerksamkeit

Die Sozialwissenschaftlerin Danah Boyd hat noch einen weiteren Grund erkannt, warum das Snapchat-Prinzip gerade so gefragt ist: Die Nachrichtenströme in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter und wohl auch WhatsApp sind mittlerweile so schnell und mächtig, dass kein Mensch mehr alles lesen kann, was er da vorgesetzt bekommt. Ein "Snap", so heißt eine Snapchat-Nachricht, aber schreit nach Aufmerksamkeit, sagt Boyd: "Wenn dir jemand ein Snapchat-Foto schickt, legt er fest, wie lange du sie sehen kannst. Die darunterliegende Botschaft lautet: Du hast sieben Sekunden, also pass auf! Und wenn Menschen die Botschaft öffnen, schauen sie wirklich hin und hören auf, nebenbei etwas anderes zu tun." Snapchat sei also kein weiteres Spielzeug zur Ablenkung, sondern lade geradezu zur Aufmerksamkeit ein.

Die aktuelle Finanzierungsrunde bei Snapchat sei noch nicht abgeschlossen, berichtete das Wall Street Journal. Das vom 24-jährigen Mitgründer Evan Spiegel geführte Start-up wolle in diesem Jahr versuchen, Geld mit Werbung zu verdienen, hieß es. Snapchat kommentierte die Informationen der Zeitung ausweichend: Bewertung und Kapitalbedarf seien die am wenigsten interessanten Aspekte, erklärte ein Sprecher dem Wall Street Journal und dem Blog TechCrunch.

Die Firmenbewertung auf Basis eines so kleinen Anteils wie 0,2 Prozent hat zwar eine relativ geringe Aussagekraft. Solche Werte werden aber als Basis für spätere Finanzierungsrunden und Berechnungen für einen eventuellen Börsengang genommen. So lief es auch etwa bei Facebook und Twitter.