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Premierminister Recep Tayyip Erdogan (rechts) verabschiedet sich in den Präsidentenpalast. Seine Partei, die AKP, übergibt er wie sein Amt als Premierminister an seinen bisher getreuen Außenminister Ahmet Davutoglu. Erdogan rechnet nicht damit, dass Davutoglu sich von ihm emanzipieren wird. Und seinen Einfluss auf die AKP will er auch behalten.

© Reuters

Stabwechsel in der Türkei: Gibt es bald keinen Wein mehr im türkischen Präsidentenpalast?

Ankara bereitet sich auf den neuen Staatschef Erdogan vor. Bei einem Sonderparteitag der Regierungspartei AKP soll der bisherige Außenminister Ahmet Davutoglu zum Nachfolger Erdogans als Parteichef gewählt werden.

In der Türkei geht eine Ära Erdogan zu Ende - und eine neue beginnt: Am heutigen Mittwoch tritt Recep Tayyip Erdogan als Vorsitzender der türkischen Regierungspartei AKP zurück und überlässt den Posten seinem designierten Nachfolger Ahmet Davutoglu. Der Stabwechsel wird bei einem Sonderparteitag der AKP in Ankara vollzogen, zu dem 30 000 Menschen erwartet werden. Das Amt des Ministerpräsidenten gibt Erdogan ebenfalls auf, wenn er am Donnerstag er als Präsident vereidigt wird. Anschließend wird Davutoglu den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung erhalten und Erdogan auch als Ministerpräsident nachfolgen.

Erdogan hatte die AKP im Sommer 2001 gegründet und ein Jahr später gleich zum ersten Sieg bei den Parlamentswahlen geführt. Anders als in der Gründungsphase, als in der AKP noch Reformer, Islamisten, Nationalisten und Bürgerlich-Konservative starke Flügel bildeten, in der Partei heute alles auf Erdogan zugeschnitten. Reformpolitiker wie der bisherige Präsident Abdullah Gül würden zugunsten einer „radikaleren und ideologischen“ Richtung ausgegrenzt, schreibt der Journalist Taha Akyol in der „Hürriyet“.

Von Davutoglu erwartet Erdogan weiterhin Gefolgschaft

Auch nach seinem Abschied aus der Tagespolitik will Erdogan der bestimmende Mann bleiben: Er wählte Davutoglu als Nachfolger in Partei und Regierung, weil er sich von seinem bisherigen Außenminister unbedingte Gefolgschaft verspricht. Kandidaten für den vakanten Posten des Außenministers im Kabinett Davutoglu sind Geheimdienstchef Hakan Fidan und Europa-Minister Mevlüt Cavusoglu.

Die Opposition befürchtet, dass Erdogan den Posten des zur Unparteilichkeit verpflichteten Präsidenten zu einer reinen AKP-Position umbaut. In seinem Amtseid wird sich Erdogan am Donnerstag zu dieser Unparteilichkeit sowie zum Rechtsstaat, zum Laizismus, also der Trennung von Staat und Religion, sowie zur Demokratie bekennen – alles Dinge, die nach Ansicht der Erdogan-Gegner in Gefahr sind. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu will die Amtseinführung Erdogans deshalb boykottieren. Der Kolumnist Murat Belge spekulierte in der Zeitung „Taraf“ schon, dass der fromme Muslim Erdogan künftig den Ausschank von Wein und Champagner bei Staatsempfängen im Präsidentenpalast beenden wird.

Auch sonst gibt es nur wenige Anzeichen dafür, dass Erdogan als Präsident die tiefen innenpolitischen Gräben in der Türkei überbrücken will. Noch vor seinem Amtsantritt machte er klar, dass er als neuer Staatschef einer traditionellen Feierstunde der Justiz fernbleiben will, weil der Festredner als Regierungskritiker bekannt ist.

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