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US-Internetgesetze Sopa und Pipa Erste Senatoren knicken nach Web-Protest ein

Seit Tagen macht die Web-Gemeinde Front gegen die rabiaten US-Internetgesetze Sopa und Pipa. Erste Senatoren wechseln jetzt auf die Seite der Gegner und wollen gegen die Vorlage votieren. Ausgestanden ist das Ringen um den neuen Urheberrechtsschutz jedoch längst nicht.
Anti-Sopa-Protest vor Senatorenbüro in New York: Umstrittene Internetgesetze

Anti-Sopa-Protest vor Senatorenbüro in New York: Umstrittene Internetgesetze

Foto: MARIO TAMA/ AFP

Hamburg - Der globale Internet-Protest gegen die amerikanischen Antipiraterie-Gesetze Sopa und Pipa scheint erste Wirkung zu zeigen. Die politische Unterstützung für die umstrittenen Vorlagen, die im Kampf gegen Raubkopien im Internet drastische Maßnahmen wie Netzsperren vorsehen, bröckelt.

Bis Donnerstag erklärten 18 Mitglieder des US-Senats öffentlich, gegen Pipa stimmen zu wollen. Sieben davon waren zuvor erklärte Befürworter, die die Gesetzesvorlage bereits unterschrieben hatten.

Ist das schon die große Wende im Streit über die Gesetze? Eine Antwort fällt schwer. Denn wie viele Senatoren genau für oder gegen Pipa stimmen würden, ist derzeit eine eher rhetorische Frage. Es gibt keine offizielle, aktuelle Liste der Befürworter und Gegner. Fest steht nur, dass das Votum schon am 24. Januar stattfinden soll.

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Anti-Sopa-Protest: Das Netz trägt schwarz

Die weltweiten Proteste der vergangenen Tage haben in den Büros der Washingtoner Politik ihre Wirkung nicht verfehlt. Kritiker argumentieren, dass die Gesetzesinitiativen - Sopa (Stop Online Piracy Act) im Repräsentantenhaus und Pipa (Protect IP Act) im Senat - die offene Struktur des Internets gefährden. So könnten missliebige Inhalte zensiert und Internet-Anwender gegängelt werden, lautet der Vorwurf. Die Protestierenden sind mehrheitlich nicht für weniger Urheberrechtsschutz - halten die Vorlagen aber für ungeeignet.

4,5 Millionen unterzeichnen Petition

Zahlreiche Websites hatten in den vergangenen Tagen ihre Inhalte geschwärzt und so gegen die Gesetzesvorhaben protestiert. Allein Google zählte 4,5 Millionen Unterzeichner einer weltweiten Petition  gegen die Pläne, drei Millionen davon stammten aus den USA. Die Büros der Sopa- und Pipa-Befürworter wurden mit Anrufen überschwemmt, teilweise brachen Politiker-Websites unter der Flut von Besuchern zusammen. Die Internet-Guerilla Anonymous macht Jagd auf den Autoren des Sopa-Entwurfs und sammelt Privatdetails in einer öffentlichen Datei ("Dox"). Sopa-Gegner organisierten Geld für eine Lobby-Firma .

Das alles erklärt aber nicht, warum gerade die nun umgeschwenkten Senatoren sich anders entschieden haben. Auffällig sei die Verteilung der neuen Pipa-Gegner zwischen den beiden großen politischen Lagern in den USA, schreibt "Ars Technica". Von den 18 Wechslern sind demnach 15 Republikaner, nur drei gehören zu den Demokraten. Zum Vergleich: Im US-Senat sitzen 100 Senatoren, 51 Demokraten, 47 Republikaner und zwei Freie. Eine Rolle spielen dürfte auch, dass die Vorlage zu Pipa  von einem Demokraten, dem Senator Patrick Leahy eingebracht wurde.

Angesichts des Ungleichgewichts wird nun auch gemutmaßt, dass Sopa und Pipa vor allem von den Republikanern als Einmischung des Staats in die Online-Wirtschaft verstanden werden könnten. Auch Politiker im Repräsentantenhaus ließen verlauten, sie sähen die Sopa-Vorlage  des republikanischen Abgeordneten Lamar Smith  mittlerweile skeptisch.

"Legitime Bedenken"

Die neuen Pipa-Gegner im Kongress beeilen sich nun, ihre Entscheidung zu erklären. Marco Rubio, republikanischer Senator aus Florida, begründete seinen Sinneswandel mit Bedenken über die Auswirkungen, die das Gesetz auf den Zugang zum Internet haben könnte. Via Twitter erklärte Senator Roy Blunt aus Missouri, dass Sopa und Pipa mangelhafte Gesetzesvorlagen seien, "die noch viel Arbeit brauchen".

James Inhofe, Senator aus Oklahoma, sagte, dass Pipa keine Antwort auf Fälschungen und Piraterie im Internet sei. "Für mich ist klar, dass diese Gesetzesvorlage zu viel von Dritten, Unschuldigen verlangt und einem der letzten Bereiche, die nicht von der Regierung reguliert werden, schweren Schaden zufügen könnte".

Und der demokratische Senator Robert Menendez aus New Jersey verkündete über Twitter, dass er die Proteste "laut und deutlich" gehört habe, die Bedenken teile - und deswegen auf eine Überarbeitung der Vorlagen poche.

Wo es teuer geworden wäre, gab es keinen Blackout

Laut "The Commentary Magazine"  könnte der neue Widerstand gegen Sopa und Pipa die Abstimmung der Senatoren über die Vorlage weiter verzögern. Sopa liegt bereits seit vergangener Woche auf Eis. Doch Kritiker der beiden Gesetzesvorhaben beruhigt das nicht. Sie fürchten, dass die Wünsche der Unterhaltungsindustrie, die nach Ansicht der Gegner maßgeblich hinter Pipa und Sopa steht, auf dem einen oder anderen Weg sowieso in die amerikanische Gesetzgebung einfließen werden.

Denn selbst wenn man die kritischsten Punkte in Sopa und Pipa streichen würde - etwa die weitgehenden Websperren über Eingriffe in DNS-Server - blieben die Gesetzesvorlagen "schwer mangelhaft", meint "Ars Technica". Vor allem, weil sie Rechteinhabern ein Übermaß an Kontrolle über Medien und Konsumenten geben würden.

Der Protest der letzten Tage verlief nicht nach einen einheitlichen Muster. Was die Radikalität angeht, gibt es eine klare Grenzlinie. Auf der einen Seite stehen die Seiten-Schwärzer, in der Regel kleinere Angebote oder eben nicht-kommerzielle Schwergewichte wie die englischsprachige Wikipedia.

Auf der anderen Seite stehen all jene, denen die Gesetze vermutlich massiv schaden würden, die eine Abschaltung der eigenen Homepage jedoch viel Geld gekostet hätte. Ebay, Amazon, Google, die Giganten der US-Netzbranche, hatten zwar Berichten zufolge erwogen, sich dem Internet-Blackout gegen die rabiaten Copyright-Gesetze anzuschließen. Am Ende aber entschied sich Google nur für einen, zugegebenermaßen prominenten, Hinweis auf der US-Homepage. Ebay, Amazon und auch die Google-eigene Videowebsite YouTube sahen am Mittwoch aus wie immer.

Ein selbstinszenierter Blackout wäre für die Unternehmen teuer geworden. Google machte im dritten Quartal 2011 etwa 2,7 Milliarden Dollar Nettogewinn, den Großteil davon mit Werbung auf den eigenen Seiten. Ein eintägiger Streik hätte das Unternehmen also viele Millionen Dollar gekostet.

fko/cis