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Parallelhandel

Wirtschaftlichkeitsreserven um jeden Preis?

Das Thema Parallelimport von Arzneimitteln und seine Auswirkungen stand im Zentrum einer Expertenrunde, die am 29. April bei einer Veranstaltung des House of Pharma in Berlin stattgefunden hat.
Theo Dingermann
30.04.2019  13:36 Uhr

Am 29. April publizierte der Verband der Arzneimittelimporteure Deutschlands eine Pressemitteilung unter dem Titel »Importarzneimittel sparen fast 3 Milliarden Euro«. Zufall oder eine gezielte Platzierung? Denn am selben Tag fand in der Hessischen Landesvertretung, Berlin, eine Experten-Runde mit dem Titel »Auswirkungen von Parallelimporten auf Arzneimittelsicherheit, Therapiesicherheit und das Gesundheitssystem« statt. Eingeladen hatten die Präsidenten des House of Pharma & Healthcare, Professor Manfred Schubert-Zsilavecz, und der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft, Professor Stefan Laufer.

Während der Interessensverband die enormen Einspareffekte und -potenziale von Arzneimittel-Parallelimporten hervorhob, erörterten Experten aus Bundesoberbehörden, Verbänden, aus der pharmazeutischen Praxis und von Patientenvertretern die Kehrseite der Medaille. Denn dass Parallel- und Reimporte auch mit Problemen behaftet sind, wissen Kenner des Systems nur allzu gut.

Deutschland ist Zielmarkt Nummer 1 für Parallelimporte. 5,5 Milliarden Euro wurden von Oktober 2017 bis September 2018 im Europäischen Wirtschaftsraum durch Parallelimporte bewegt, und auf Deutschland entfielen über 50 Prozent der Importe, mit steigender Tendenz. Diese Zahlen präsentierte Frank Weißenfeldt vom Informationsdienstleister IQVIA Der Marktforscher erläuterte auch, wie komplex das System funktioniert, dass eher unerwartete Faktoren wie Wechselkurse es erheblich beeinflussen können und dass Spezialtherapeutika den Parallelhandel in Europa dominieren.

All dies wurde zwingend möglich durch den Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, der den freien Warenverkehr als ein garantiertes Grundrecht in der Europäischen Union definiert. Ansonsten ist die gesetzliche Basis für den Parallelhandel eher spärlich. Regeln leiten sich nach Aussage von Susanne Brendler-Schwaab vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aus EU-Richtlinien, Urteilen des Europäischen Gerichtshofs, aus Mitteilungen der Europäischen Kommission, aus Vorschriften im Arzneimittelgesetz und aus Bekanntmachungen des BfArM ab.

Für die Apothekerschaft sind die Bestimmungen im Fünften Sozialgesetzbuch und in den Rahmenverträgen bedeutender. Denn diese verpflichten die Apotheker mit der sogenannten Importförderklausel dazu, einen gewissen Anteil ihres Umsatzes mit Importarzneimitteln zu generieren. Aus Sicht der Arzneimittelkommission und aus Sicht der Apotheke vor Ort schilderten Professor Martin Schulz, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK), und Christian Ude von der Stern-Apotheke, Darmstadt, die erheblichen Schwierigkeiten, die Importarzneimittel bereiten können. Treten Probleme auf, verursachen sie demnach nicht nur Verunsicherung bei Patienten, sondern in vielen Fällen auch Zweifel an der Authentizität und an der Qualität des Arzneimittels.

Wie schwierig es ist, Fälschungen nachzuweisen und wie unklar der Qualitätszustand besonders von Biologika ist, die über teils viele Länder in die Apotheken gelangen, konnte Schulz anhand der bei der AMK eingegangenen Meldungen eindrucksvoll belegen. Bekräftigt wurden diese Aussagen auch von Professor Stefan Vieths, Vizepräsident des Paul-Ehrlich-Instituts. Er schilderte, wie aufwendig es ist, Fälschungen zu identifizieren und bei Verdacht die Qualität der Präparate zu überprüfen.

Parallelimporte aus Patientensicht beleuchtete Ilona Köster-Steinebach, Geschäftsführerin des Aktionsbündnisses Patientensicherheit. Ihr zufolge verursachen Arzneimittelimporte ebenso wie Rabattverträge so viele Probleme bei der Arzneimittelversorgung in Deutschland, dass man sich fragen müsse, ob der wirtschaftliche Nutzen durch Arzneimittelimporte den Schaden aufwiegt, der durch die Verunsicherung der Patienten und die sich daraus häufig abgeleitete Non-Adhärenz verursacht wird.

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