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Der Mensch, ein Fussgänger

Olivier
Berger
10.07.17 - 07:20 Uhr
Leben & Freizeit
Kommentar
wandern, Wandertage Glarnerland
ARCHIV

Es gab eine Zeit, da war das Wandern der Inbegriff von bourgeoiser Biederkeit – in etwa so wie das gehäkelte Hütchen, unter dem sich im Badezimmer verschämt eine Rolle Toilettenpapier versteckte. Wandern war etwas für Menschen, die in roten Socken und mit einem lustigen Gamsbart am Filzhut in Horden durch die heimische Flora stapften und dabei lustige Lieder trällerten. Keine Klientel also, zu der man freiwillig gehören wollte.

Der Hohn und Spott vermochten der Attraktivität des Wanderns aber nur für einige kurze Jahre etwas anzuhaben. Längst hat sich das Zufussgehen in freier Natur wieder zur von Schweizerinnen und Schweizern liebsten sportlichen Betätigung entwickelt.

Bloss sind es heute nicht mehr nur die einst so belächelten «Rotsocken», die Alpen, Hütten und Sessellifte bevölkern, sondern immer öfter gerade die explizit urban-hippen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen.

Das ist kein Zufall. In einer Welt, in der alles immer schneller und schnelllebiger wird, da der Alltag zu einer Abfolge von Terminen und Verpflichtungen – echten und vermeintlichen – geworden ist, wo sich die Grenze zwischen Arbeits- und Freizeit immer mehr verwischt, braucht der Mensch seine Auszeiten. Die Entschleuni- gung, als Idee in den späten Siebzigern geboren, ist zu einem verbreiteten Bedürfnis geworden.

Wandern entschleunigt von Natur aus. Selbst jene «Kampfwanderer», die jeden noch so hohen Gipfel in absoluten Rekordzeiten erstürmen, sind dabei immer noch langsamer unterwegs, als sie es vom digitalen, automatisierten und motorisierten Alltag her gewohnt sind. «Zu Fuss hält die Seele Schritt», hat der deutsche Autor Achill Moser eines seiner Bücher genannt. Er hat wohl recht.

Die meiste Zeit seiner Existenz hat sich der Mensch zu Fuss fortbewegt. Geritten wurde erstmals vor wenigen Tausend Jahren; das Velo ist 200-jährig, das Auto noch einmal 50 Jahre jünger. Gemessen an seiner Geschichte ist der Mensch also nach wie vor in erster Linie ein Fussgänger.

«Nur wo du zu Fuss warst, bist du auch wirklich gewesen», hat Johann Wolfgang von Goethe geschrieben. In diesem Sommer können sie mit uns wieder zwei Wochen lang das Glarnerland und die restliche Südostschweiz erwandern. Schnüren wir also die Wanderschuhe und brechen wir auf. Es wird uns guttun.

Hier geht es zu allen Infos und zur Anmeldung...

Olivier Berger wuchs in Fribourg, dem Zürcher Oberland und Liechtenstein auf. Seit rund 30 Jahren arbeitet er für die Medien in der Region, aktuell als stellvertretender Chefredaktor Online/Zeitung. Daneben moderiert er mehrmals jährlich die TV-Sendung «Südostschweiz Standpunkte». Mehr Infos

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