Film-Crowdfunding:Ich bring dich groß raus

Spenden Sie, dann drehen wir! In den USA werden immer mehr Filme durch Crowdfunding finanziert. Nun wagen auch hierzulande junge Regisseure das Experiment, aktuell bei einem ungewöhnlichen Werk - Porneographie.

Kerstin Viellehner

Sätze wie: "Wenn es auf dem konventionellen Weg nicht klappt, sollte man es lieber lassen", hörte Sergej Moya in den zurückliegenden Wochen immer wieder. Moya ist Schauspieler, seit zwei Jahren führt er auch Regie. Er ist 23, seiner Filmographie nach ist er 30.

Film-Crowdfunding: Man muss nicht sehr viel Phantasie besitzen, um zu erraten, was in dem Film gespielt wird, aus dem die Aufnahme von Saralisa Volm und Clemens Schick stammt. Vielleicht braucht man aber viel Phantasie, um ihn zu drehen. Es handelt sich nicht um einen Porno. Der Titel: Hotel Desire. Das Bild ist ein Teaser für die Spender und Investoren, denn finanziert wird das Projekt übers Internet, über Crowdfunding.

Man muss nicht sehr viel Phantasie besitzen, um zu erraten, was in dem Film gespielt wird, aus dem die Aufnahme von Saralisa Volm und Clemens Schick stammt. Vielleicht braucht man aber viel Phantasie, um ihn zu drehen. Es handelt sich nicht um einen Porno. Der Titel: Hotel Desire. Das Bild ist ein Teaser für die Spender und Investoren, denn finanziert wird das Projekt übers Internet, über Crowdfunding.

(Foto: Sandra Schuck / Teamworx / Vonfiessbach Film)

Sein Kurzfilm Hollywood Drama lief 2010 in der Berlinale-Reihe "Perspektive deutsches Kino", er gewann auch den Max-Ophüls-Preis. Nun will Moya einen neuen, 45-minütigen Film drehen: Hotel Desire.

Das Besondere an Hotel Desire ist vielleicht, dass Moya von einem "porneographischen" Film spricht, in Abgrenzung zum Porno. Es sollen offenbar mehr als nur erotische Bilder choreographiert werden. Das Projekt hat sich allerdings auch deshalb herumgesprochen, weil es ohne Förderungen und Senderbeteiligung entsteht. Moya finanziert sein Projekt durch Crowdfunding - wie seine Kollegen Daniel Boehme, 35, und Nana Yuriko, 37.

Crowdfunding ist in Deutschland ein bislang wenig erprobtes Verfahren. Man nennt es Schwarmfinanzierung, weil nicht die üblichen, wenigen Geldgeber Kapital bereitstellen, sondern die Masse (Crowd) einzahlt. Ein dafür eingerichtetes Internet-Portal oder eine Website dienen als Börse. In den USA ist Crowdfunding nahezu etabliert. In Deutschland wird die Sammelaktion eher als eine weitere, irgendwie seltsame Interneterscheinung bewertet.

Das Institut für Kommunikation in sozialen Medien aus Berlin veröffentlichte jetzt die "erste deutsche Crowdfunding-Studie". Neben einer Befragung von Projektinitiatoren führten die Autoren eine Vollerhebung aller vom 1. Mai 2010 bis zum 15. April 2011 auf deutschsprachigen Plattformen abgeschlossenen Vorhaben durch. 125 wurden schließlich gelistet, die meisten in den Bereichen "Veranstaltung" (34), "Aktion" (16) und "Film" (15). Mehr als die Hälfte (53,6 Prozent) davon konnte durchgeführt werden, insgesamt wurden 208 000 Euro gesammelt. Ein (erfolgreich finanziertes) Projekt bekam durchschnittlich 2943 Euro - oder pro Spender 89 Euro. Inzwischen ist es Zeitschriften wie dem Low Kunstmagazin oder Urban Spacemag gelungen, einzelne Ausgaben zumindest teilweise über Crowdfunding herauszubringen.

Produktion anarchisch, Vertrieb klassisch

In der Filmindustrie wird Crowdfunding erst entdeckt. Moyas "porneographisches" Hotel Desire kostet 170 000 Euro, das ist für Schwarmfinanzierungsverhältnisse eine viel zu hohe Summe.Einer der drei Produzenten, der 39-jährige Sascha Schwingel von der Ufa-Firma Teamworx (die wiederum ein Bertelsmann-Unternehmen ist), schlug Crowdfunding trotzdem vor. Im Februar hatte er auf konventionelle Weise das zweiteilige Drama Hindenburg ins RTL-Programm gebracht. Er sagt: "Ich hatte Lust, Hotel Desire zu machen. Aufgrund der Länge und des Formats war klar, dass das kein normal zu finanzierender Film wird." Mit Crowdfunding hatte er vorher nichts zu tun.

Ein wenig anarchisch und avandgardistisch

Mehr als 143 000 Euro sind bereits auf hotel-desire.com eingegangen. Es gibt Spender mit Beträgen ab fünf Euro, und es gibt Investoren, was eine Mindesteinlage von 10 000 Euro voraussetzt. Spender erhalten eine signierte DVD oder ein signiertes Drehbuch oder einen Credit im Abspann (250 Euro). Investoren wird Productplacement, der Erwerb von Lizenzen oder eine klassische Gewinnbeteiligung geboten.

Von Ende August an soll gefilmt werden. Die Besetzung ist kassentauglich, sie ist erstklassig. Clemens Schick, Herbert Knaup, Frederick Lau und Anna Maria Mühe haben zugesagt. Für sie ist Hotel Desire vermutlich wie ein Studentenfilm, also ein Low-Budget-Engagement, bei dem Inhalt über Gage steht. Darsteller wie Schick oder Knaup wissen, dass sie an etwas teilnehmen, das ein wenig anarchisch oder avantgardistisch ist. So etwas macht sich immer gut - und vermutlich macht es auch noch Spaß.

Die DVD- und Blu-Ray-Rechte sind bereits verkauft. An diesem Dienstag wurde bekannt, dass Videoload, die Online-Videothek der Deutschen Telekom, Hotel Desire zeigen wird. Mit Fernsehveranstaltern ist Produzent Schwingel in Verhandlung, auch über den Verkauf der Auslandsrechte wird gesprochen.

In der Regel wird Crowdfunding als Teil- oder Gap-Finanzierung eingesetzt, so wie von Daniel Boehme und Nana Yuriko. Boehme benötigt 22 000 Euro für sein soziales Kunstprojekt 7 Stufen - Vom Straßenfeger zum Lebenskünstler, das Obdachlosen ermöglicht, einen Film zu produzieren. Der Film soll im Straßenverkauf vertrieben werden. Zusätzlich ist eine Dokumentation geplant.

Dafür braucht auch Boehme "die klassische Auswertung: Kino, Fernsehen et cetera". Neben Spenden rechnet er mit Einnahmen aus dem DVD-Handel seines als "besonders wertvoll" eingestuften Kurzfilms 13 Stufen - Tagebuch einer modernen Beziehung. Den bezahlte er aus Eigenmitteln. Die Herstellung einer DVD aber ermöglichte ihm das Crowdfunding.

Nana Yuriko wollte mit ihrem Team von 25 Films 25 000 Euro sammeln, zugeflossen sind ihr mehr, 26 964 Euro. Doch "einen Kinofilm kriegt man damit nicht" zustande, sagt sie. Jetzt bemühe sie sich "um zusätzliches Geld - auf dem klassischen Weg".

25 Films hat die Berliner Bar 25 jahrelang dokumentarisch begleitet, bis sie 2010 geschlossen wurde - und dreht auch jetzt noch weiter. Aus dem Material soll ein halb fiktionaler, halb dokumentarischer Beitrag entstehen.

Vor Kurzem beantragte Yuriko Filmförderung beim Medienboard Berlin-Brandenburg. Förderung ist auch bei Crowdfunding-Projekten möglich, wie das Medienboard und die Filmstiftung Nordrhein-Westfalen bestätigen. Es gelten die üblichen Auswahlkriterien. Die besten Chancen haben - ganz gleich von welcher Finanzierungsart - Projekte, die kommerziellen oder künstlerischen Erfolg versprechen - im Idealfall beides. Zwar schränke die Filmförderung die künstlerische Freiheit "in gewisser Weise ein", findet Yuriko, da die Förderung an Auflagen gebunden ist. So muss beispielsweise ein bestimmter Teil der Fördergelder in den Regionen der jeweiligen Filmstiftungen ausgegeben werden.

Skepsis bei den etablierten Produzenten

Traditionelle Finanzierung ist an viele Kompromisse gebunden", sagt Sergej Moya. "Da ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass zu viele Köche den Brei verderben." Ob ein Projekt Unterstützung findet, hängt davon ab, ob der Inhalt herausragt. "Wenn ich versuche, eine Geschichte über Crowdfunding zu finanzieren, die sich nicht sofort auf den ersten Blick als interessant und spannend darstellt, wird das wahnsinnig schwer", sagt Produzent Schwingel. Die Ergebnisse der ersten Crowdfunding-Studie scheinen ihm recht zu geben. Nur fünf der 15 untersuchten Filmprojekte konnten die benötigten Summen einsammeln.

"Warum sollte ich teilen, wenn ich normalerweise Geld damit verdienen kann?"

Für Sergej Moya ist Crowdfunding "absolute Basisdemokratie". Daniel Boehme spricht von "umfassender Demokratisierung, weil jeder seine Meinung äußern kann, und die auch wichtig ist". Ohne Crowdfunding "wäre Hotel Desire nicht möglich", sagt Schwingel, glaubt aber nicht, dass "das schon etwas für den Alltagsgebrauch ist. Doch je mehr da passiert, desto mehr wird sich das auch durchsetzen." Schwingel erkennt sogar ein neues Geschäftsmodell: "Wenn man eine starke Marke hat, könnte man die Spender auch am Gewinn beteiligen. Ich könnte mir vorstellen, dass sich das bei großen Marken in fünf bis zehn Jahren durchsetzen kann." Spender hätten dann einen ganz neuen Anreiz.

Mit Marken meint Schwingel tatsächlich Marken: Seine Beispiele sind James Bond, Hanni und Nanni oder: Till Schweiger. In der Reihenfolge.

Andere sind skeptischer. Der Sprecher der Allianz Deutscher Produzenten meint nicht, dass Crowdfunding ein "zukunftsträchtiges Finanzierungsmittel" werde. Die Etats, um die es dabei gehe, seien zu gering, also für einen Produzenten bedeutungslos. Martin Moszkowicz, 53, Vorstand des Bereichs Film und Fernsehen von Constantin Film (Der Name der Rose, Das Parfüm) sieht Crowdfunding ebenfalls nur im "Bereich von Mikrobudgets weit unter 100 000 Euro".

Für den kommerziellen Spielfilm sei das auch in absehbarer Zeit keine Alternative: "Wenn ein Filmprojekt eine starke kommerzielle Basis hat, dann braucht es kein Crowdfunding, dann kann es sich normal finanzieren." Außerdem, sagt Moszkowicz, müsste beim Crowdfunding der Crowd "irgendeine Art von Mitsprache- oder Gestaltungsrecht" gegeben werden. Das wolle er aber nicht einräumen: "Ein Projekt, das ich für sinnvoll halte, will ich selbst finanzieren und den Gewinn selbst einstreichen. Warum sollte ich teilen, wenn ich normalerweise damit viel Geld verdienen kann?"

Doch die Zahl der Crowdfunding-Projekte wächst. Was das bedeutet? Jedenfalls nicht, dass alles, das relevant wäre, an der Basis eine Zielgruppe findet. Um Menschen zum Spenden zu bewegen, braucht man Durchhaltevermögen, eine gute PR, eine starke inhaltliche Kampagne. Und man muss die Medien bedienen können - die großen wie die kleinen. Das reicht folglich von TV-Sendern oder Kinoverleihern bis zu sozialen Netzwerken. Denn, um bei Hotel Desire zu bleiben: Das fertige Produkt, der mehr als nur erotische, trotzdem nicht verbotene porneographische Film, könnte im Fernsehen laufen. Das brächte dem Produzenten Erlöse und dem Publikum ein neues Genre.

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