Guido Westerwelle hat in diesem Wahlkampf eine neue Lieblingsgeste. Bei seinem Auftritt am Montagabend in Mannheim gebrauchte der FDP-Chef sie mehrfach zur pantomimischen Darstellung seiner Argumente. Sie geht so: Westerwelle hält genüsslich seinen Daumen an die Lippen. Dann fährt er die Zunge aus – und leckt an ihm. Danach streckt er seinen Finger triumphierend dem Publikum entgegen.

Der Fingerschleck steht symbolisch für den Neid und Respekt, mit dem seine Außenminister-Kollegen auf das deutsche Wirtschaftswachstum blicken. Westerwelle ist direkt von einer Tagung aus Brüssel nach Mannheim gekommen. Er weiß, wovon er spricht, suggeriert er mit weltmännischer Miene.

Aber leider, so Westerwelles zentrale These, würden viele in Deutschland das Erfolgsrezept infrage stellen. Wer wie seine Partei die Wirtschaft und den Mittelstand fördere, der werde verunglimpft: "Typisch FDP", ruft Westerwelle und reckt wieder den frisch befeuchteten Daumen in die Höhe. Diesmal soll das neoliberale "Etikett" versinnbildlicht werden, das der FDP angeheftet werde. Westerwelle fährt fort: Eine solche Anti-Haltung führe dazu, dass nötige Infrastruktur-Veränderungen im Zweifel schlecht geredet würden. Während andere Nationen wie Brasilien oder Indien dankbar über neue Flughäfen oder Bahnhöfe seien, fände sich hierzulande immer schnell eine Verhinderungsmehrheit.

Westerwelle bollert nun ein paar Minuten gegen die Grünen – und passt sich so der gängigen Melodie dieser Wahlkampf-Veranstaltung an. Entwicklungsminister Dirk Niebel hatte vor ihm gehöhnt, wäre es immer nach den Ökos gegangen, gäbe es heute kein Internet und auch sonst keine Fortschrittstechnologie. Und die Landeschefin Birgit Homburger hatte in ihrem Beitrag gewarnt, dass die "Planwirtschaft" heute "nicht mehr vom Politbüro", sondern eben von den Grünen komme.

Die SPD wird kaum erwähnt, die Linke nur am Rande. Auf der großen Leinwand im Mannheimer Congress Center ist eine anti-grüne Scherzfrage nach der anderen zu lesen. Etwa: "Was ist ein Grüner, der 'Ja' sagt? - Ein Hochbegabter".

Das ist mäßig komisch, aber doch offenbar das bevorzugte Mittel, mit dem sich die FDP gegen den Trend zu stemmen versucht. Seit Monaten befinden sich die Liberalen in ihrem traditionellen Stammland im Sinkflug. Zur Bundestagswahl 2009 wählten sie noch 18,8 Prozent der Baden-Württemberger. Danach aber rutschte die FDP binnen weniger Monate unter die Fünf-Prozent-Hürde, erstmals seit Jahrzehnten. Inzwischen hat sie sich etwas berappelt. Aber von den grünen Parvenüs, die womöglich bald den Ministerpräsidenten stellen, trennen sie Welten. Auch mit Frust und Eifersucht erklärt sich die monotone Zuspitzung: Dort die Krawallos – hier die Kompetenz.