Der Weinjahrgang 2017 verlangt den Winzern im Alzeyer Land...

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Eine entspannte Traubenlese im Sonnenschein mit Vesper im Weinberg – so stellen sich Laien ganz romantisch den Herbst vor. In diesem Jahr aber war alles anders. Der...

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ALZEY. Eine entspannte Traubenlese im Sonnenschein mit Vesper im Weinberg – so stellen sich Laien ganz romantisch den Herbst vor. In diesem Jahr aber war alles anders. Der Fäulnisdruck führte zu einer Turbo-Lese in vielen Wingerten zeitweise zu einem Zeitpunkt, als manche Trauben noch nicht wirklich ausgereift waren – all das die Folge von Wetterunbilden, die bisweilen flächendeckend, oft aber auch nur regional den Winzern zu schaffen machten. Früher Austrieb und später Frost, das verträgt sich gar nicht. Zwar trieben oft noch Augen nach, aber diese Trauben reifen dann später. Während das Frühjahr warm und trocken war, regnete es dann im Sommer zeitweise Bindfäden. Die Trauben saugten sich voll, die Beerenhaut kam mit dem Wachstum nicht nach und wurde regelrecht gesprengt. Oder die Pergel wurden vom Hagel getroffen – mit ähnlichen Folgen. Beschädigte Trauben locken so ziemlich alles an, was der Winzer nicht haben will. Nicht zuletzt natürlich Fäulnis. Also schnell die Ernte reinholen war vor allem bei Fassweinwinzern die Devise. Das hatte Folgen: Bei den meisten Winzern war die Lese bereits zum Alzeyer Winzerfest abgeschlossen – ein Novum. Wer in dieser Woche noch gesunde Trauben ernten wollte, musste seinen Wingert schon sehr gut in Schuss haben, um kein Risiko einzugehen.

Was also kann man vom Weinjahrgang 2017 erwarten? Einig sind sich da alle nur in einer Beziehung: Mengenmäßig wird er viele Wünsche offen lassen. Qualitätsmäßig dürfte es derweil erhebliche Unterschiede geben. Da werden auch ganz exzellente Tropfen dabei sein. In diesem Jahr ist es ganz besonders wichtig, dass der Winzer seine Hausaufgaben gemacht, sprich den Wingert optimal gepflegt hat. Und dass er Glück hatte im regional so unterschiedlichen Wettermix. Bei manchem lief es gut, bei anderen weniger. Einen „neidischen Herbst“ nennen das die Winzer.

In Saulheim, Wörrstadt, Schornsheim und Udenheim beispielsweise gab es weder Frost noch Hagel, „da kann man von einem normalen Herbst sprechen“, sagt Hubertus Brand, Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft Goldenes Rheinhessen in Bornheim, wo die Traubenannahme am vergangenen Samstag abgeschlossen wurde. Ganz anders rund um Gundersheim, Flomborn und Ober-Flörsheim. Auch Ensheim und Spiesheim erwischte der Hagel kalt.

Wie kritisch der Herbst war, weiß Brand genau. Wochenlang war er täglich in den Weinbergen unterwegs, um die Mitglieder zu beraten und sicherzugehen, dass in der Reihenfolge angeliefert wurde, wie es der Druck erforderlich machte. 13,5 bis 14,5 Millionen Kilo Trauben gehen normalerweise an die Winzergemeinschaft, in diesem Jahr rechnet Brand mit zwölf Millionen Kilo. Abschließende Zahlen liegen noch nicht vor.

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Dass die Mitglieder bei der verminderten Menge noch so viel Gewinn einfahren wie irgend möglich, sieht er als seine Pflicht als Vorsitzender. Im „knüppelharten Weingeschäft“ müsse aber auch in solchen Jahren die Qualität stimmen, wenn man am Markt bestehen will. Am Ende ist Brand doch zufriedener als erwartet, zumindest, was die Mostgewichte betrifft. Allerdings sagt er auch: „Kellerleute sind jetzt in diesem Jahr besonders stark gefragt und ich hoffe, dass auch freie Winzer ein Auge auf die Moste halten.“ Trauben, die nicht ganz reif gelesen werden mussten, und flüchtige Säuren seien aber in den Griff zu kriegen – wenn der Kellermeister sein Handwerk verstehe.

Christian Hannemann vom Weingut Heiligblut in Alzey-Weinheim gehört da zu der Sorte Winzer, um die man sich keine Sorge machen muss. Die Weinberge sind gehegt und gepflegt. Und die Mühe wird belohnt. Die besten Rieslinge hängen immer noch im Weinberg. „Natürlich hatten wir bei den frühen Sorten auch Fäulnis, aber wie es jetzt aussieht, gibt es einen sehr guten Jahrgang mit vielen Spätlesen“, sagt der Jungwinzer und ist zufrieden mit den gut ausgebildeten Aromen, das könnten ganz tolle Weine werden. Trotzdem hat auch ihm das Wetter übel mitgespielt. Es gab zwar keinen Hagel, aber etwas Frost und letztlich einen Mengeneinbruch von 30 bis 40 Prozent.

Leseende drei bis vier Wochen früher als im Vorjahr

Das ist noch wenig im Vergleich zu dem, was das Weingut Stauffer in Flomborn verkraften muss. Am Goldberg etwa gen Gundersheim sind 50 bis 70 Prozent der Weinberge durch Hagel verloren gegangen. Auch Frost sorgte dafür, dass die Menge nicht stimmt, die Ausbeute schlecht ist. Portugieser wird es gar keinen geben. Trotzdem, ein Weingut wie Stauffer weiß, was seine Kunden erwarten. „Wir haben, wo es möglich war, alles Faule weggeschnitten und gesundes Lesegut per Handlese reingeholt“, sagt Karl Michael Stauffer. Und die späten Sorten bereiteten im gepflegten Weinberg richtig Freude: „Wir haben topgesunde Scheureben gelesen und topgesunde Rieslinge“, sagt der Winzer. Auch der Merlot hing in dieser Woche noch.

Und noch einer, der zufrieden ist: Philipp Stork vom Weingut Stoll in Alzey-Heimersheim, der an diesem Wochenende und damit drei bis vier Wochen früher als im Vorjahr die Lese beenden will. „Die Anlagen, die sind perfekt vorbereitet, die Trauben geteilt und vorgelesen.“ Er erwartet gute Qualitäten. Aber auch ihn traf der Frost. „Von der Menge her könnnte es mehr sein.“