Elektrisch unterstützte Fahrräder boomen in Deutschland. Rund 200.000 sogenannte E-Bikes und Pedelecs (Pedal Electric Cycle) wurden im vergangenen Jahr in Deutschland verkauft, nach 150.000 Stück im Jahr davor. Inzwischen machen die Elektrofahrräder schon einen Anteil von fünf Prozent am deutschen Fahrradmarkt aus. Der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) schätzt mittelfristig einen Anteil zwischen 10 und 15 Prozent für realistisch. Für dieses Jahr rechnet der ZIV mit einem Absatz von 300.000 E-Bikes.

Doch der deutliche Aufwärtstrend könnte womöglich eine Delle bekommen, wenn die Forderung der Versicherer umgesetzt würde. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) kommt nämlich zu dem Schluss, dass Pedelecs, die mithilfe des Elektromotors bis zu 45 Kilometer pro Stunde fahren können, eigentlich wie ein Kleinkraftrad betrachtet werden müssten, im Sinne der EU-Richtlinie 2002/24/EG.

Pflicht wäre dafür dann ein Motorradhelm, erklärt der GDV. Außerdem bräuchten diese Räder ein Bremslicht, Abblendlicht, Spiegel, ordentliche Reifen und ein Versicherungskennzeichen. Da das alles in der Praxis oft fehle, bewegten sich die meisten dieser Schnell-Radler "illegal auf den Straßen", urteilt der Verband und fordert eine neue Fahrzeugklasse für schnelle Pedelecs.

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) bestreitet die Rechtsauffassung der Versicherer. Die Forderung des GDV laufe ins Leere, sagt Roland Huhn, der Rechtsreferent des ADFC. "Die schnellen Pedelecs sind bereits heute versicherungspflichtig." Damit ist die Fahrzeugklasse L1e gemeint, unter die zweirädrige Kleinkrafträder, also Mofas, fallen. Solche Pedelecs erreichen mit einer Motorleistung bis 500 Watt und Tretunterstützung Höchstgeschwindigkeiten von 45 km/h und dürfen auch nicht auf Radwegen benutzt werden.

Modelle mit einer Motorleistung bis 250 Watt und einer Höchstgeschwindigkeit mit Tretunterstützung von 25 km/h gelten nach EU-Vorschriften dagegen als Fahrräder und unterliegen nicht der Versicherungspflicht. Die Interpretation des GDV, dass diese Fahrräder mit zusätzlicher Muskelkraft auch höhere Geschwindigkeiten erreichen könnten, ist nach Ansicht des ADFC unlogisch: Schließlich seien auch bei Fahrrädern ohne Motor höhere Geschwindigkeiten möglich.

Auch die Forderung des GDV nach einer neuen Fahrzeugklasse zwischen "Schnellen Pedelecs" und Pedelecs lehnt der ADFC-Referent ab. Eine neue Klasse, die mit 30 km/h nur 5 km/h schneller sei als ein 250-Watt-Pedelec und im Vergleich etliche Nachteile habe, werde am Markt keine Chance haben, schätzt Huhn. Das Besondere an Pedelecs ist, dass erst die Tretkraft des Fahrers den Elektromotor aktiviert.

Huhn hält die geforderte Versicherungspflicht zudem für unlogisch. "Auch sonst wird bei Fahrrädern eine Versicherungspflicht nicht von der Geschwindigkeit abhängig gemacht", argumentiert der ADFC-Experte. "Sonst bräuchten Rennradfahrer, die im Training deutlich schneller als 25 km/h fahren, eher eine Pflichtversicherung als die Fahrer von Pedelecs."