Die Türkei sieht sich mit einem gewaltigen Ansturm von Kurden konfrontiert, die vor der Extremistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) fliehen: Wegen der jüngsten Kämpfe im Norden Syriens sind nach offiziellen Angaben aus Ankara bereits etwa 45.000 Kurden über die Grenze zur Türkei geflüchtet. Aus Angst vor IS-Massakern hatten sie sich seit Donnerstag an dem mit Stacheldraht bewehrten Grenzzaun gesammelt.

Die Schutzsuchenden seien an acht verschiedenen Zutrittspunkten über die türkisch-syrische Grenze gelangt, sagte der türkische Vizeregierungschef Numan Kurtulmuş. Insgesamt flohen seit dem Beginn des syrischen Bürgerkriegs vor dreieinhalb Jahren fast 1,5 Millionen Menschen in die Türkei.

Der jüngste Flüchtlingsstrom war durch die IS-Offensive auf die Kurdenstadt Ain al-Arab unweit der Grenze zur Türkei ausgelöst worden. Dort lieferten sich die Islamisten Gefechte mit Kurdenmilizen und nahmen laut Aktivisten binnen zwei Tagen 60 Dörfer ein.

Türkische Regierung spricht von Ausnahme

Die türkischen Behörden hatten sich zunächst geweigert, die syrischen Kurden ins Land zu lassen. Dabei war es zu Tumulten gekommen, laut Spiegel Online setzten türkische Sicherheitskräfte auch Tränengas und Wasserwerfer ein. Wegen der Proteste sah sich Ankara aber schließlich gezwungen, tausende Menschen passieren zu lassen. Die türkische Regierung sprach daraufhin von einer Ausnahme wegen der Kämpfe in Syrien.

In den Wirren des syrischen Bürgerkriegs haben die Kurden in den von ihnen bewohnten Gebieten im Norden Syriens eine weitgehend selbst regierte Region errichtet. Diese mussten sie wiederholt gegen Attacken der IS-Milizionäre verteidigen. Zu diesem Zweck reisten nach Angaben der syrischen Beobachtergruppe für Menschenrechte in der Nacht zum Samstag mehr als 300 kurdische Kämpfer von der Türkei nach Syrien. Sie hätten sich den kurdischen Einheiten angeschlossen, die den IS-Vormarsch auf die Stadt Kobani stoppen wollen, hieß es.