Von wegen Dekadenz und Untergang – neue Perspektiven auf die Spätantike
Öffentliche Veranstaltungsreihe der Freien Universität im Wintersemester 2018/2019 „Die Spätantike – eine expandierende Epoche?“ / Auftakt am 16. Oktober
Nr. 269/2018 vom 11.10.2018
Wie lange dauerte die Antike? Gab es überhaupt eine Zäsur, einen Epochenwechsel, einen Endpunkt? Die öffentliche Vortragsreihe: „Die Spätantike – eine expandierende Epoche?“ widmet sich einer Zeit, die oftmals nur als Epoche des Über- oder sogar Niedergangs wahrgenommen wurde. Vermehrt gilt das Interesse gegenwärtiger Historikerinnen und Historiker jedoch nicht mehr dem Ende der Antike ‒ diskutiert wurden unter anderem der Beginn der „Völkerwanderung“ (375), der Zusammenbruch des Weströmischen Reiches (476) oder sogar die Kaiserkrönung Karls des Großen (800) ‒ sondern der Ausstrahlung und Transformation der antiken Kultur – etwa im westlichen Mittelalter, Byzanz oder dem frühen Islam. Altertumswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlicher aus verschiedenen Disziplinen wie der Archäologie, der Ägyptologie, der Byzantinistik, der Geschichtswissenschaft, der lateinischen Philologie, der Numismatik und der Rechtsgeschichte führen in neue Forschungsfragen ein und geben einen umfassenden Überblick über die Spätantike. Die Veranstaltungsreihe des Exzellenzclusters Topoi in der Reihe „Offener Hörsaal“ beginnt am Dienstag, den 16. Oktober, und findet wöchentlich statt. Sie ist öffentlich, der Eintritt frei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Kaum eine vormoderne Epoche hat in den vergangenen Jahrzehnten einen solchen Aufschwung in der Wahrnehmung der historisch interessierten, nicht nur wissenschaftlichen Öffentlichkeit genommen wie die Zeit der ausgehenden Antike. Mit der Zunahme des Forschungsinteresses ging dabei häufig auch die Ausweitung des als “Spätantike“ bezeichneten Zeitraumes einher.
Doch was meint der Begriff “Spätantike” eigentlich, wie ist er in Mode gekommen und auf welchen Zeitraum lässt er sich sinnvollerweise beziehen? Ist die Spätantike überhaupt als zusammenhängende, kohärente Epoche zu verstehen? Und warum scheint die Annahme einer produktiven Spätzeit der Antike unserem heutigen Geschichtsverständnis mehr entgegenzukommen als früheren Wissenschaftlergenerationen, für die Niedergang und Dekadenz die ersten Assoziationen waren, die sie mit dem Ausgang der Antike verbanden?
In der Ringvorlesung, konzipiert von Prof. Dr. Stefan Esders, Professor für Geschichte der Spätantike und des Mittelalters am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität, werden diese Fragen ausgehend von aktuellen und laufenden Forschungen diskutiert und dabei der Anteil der verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen an der Erforschung der Spätantike beleuchtet. Die Vortragsreihe – für die auch internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gewonnen werden konnten – ist eine Veranstaltung des Exzellenzclusters Topoi der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität Berlin. An Topoi beteiligt sind neben den beiden Universitäten auch alle anderen mit der Erforschung der Antike befassten Einrichtungen in Berlin: die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, das Deutsche Archäologische Institut, das Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
Das Vortragsprogramm Offener Hörsaal der Freien Universität umfasst noch drei weitere Themenschwerpunkte im Wintersemester 2018/2019: Veritas, Iustitia, Libertas: Konturen einer wertorientierten Universität der Zukunft, Zum Gedenken an Lise Meitner und Zwischen Liebe und Revolte – Studentische Lebensformen im Film der Nachkriegszeit. Die Vorträge richten sich nicht nur an Studierende, der Hörsaal steht allen Interessierten offen.
Zeit und Ort
- Dienstags, 18.15 bis 20 Uhr.
- Freie Universität, Rost- und Silberlaube, Hörsaal 1b, Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin.
(U3 Dahlem-Dorf oder Freie Universität Berlin (Thielplatz) Bus 110, M11, X83)
Programm
16. Oktober 2018:
„Spätantike“: Vom Nutzen und Nachteil einer Epochenbezeichnung
Prof. Dr. Stefan Esders, Freie Universität Berlin
23. Oktober 2018:
Die Spätantike – ein staatlicher Transformationsprozess?
Prof. Dr. Claudia Tiersch, Humboldt-Universität zu Berlin
30. Oktober 2018:
Spätantike, Kleine Eiszeit und Wandalen-Minimum? Epochengrenzen und Rhythmen der Klima- und Umweltgeschichte in byzantinistischer und globaler Perspektive
Dr. Johannes Preiser-Kapeller, Universität Wien, Österreichische Akademie der Wissenschaften
6. November 2018:
Der römische Kontext des frühen Islam
Prof. Dr. Mischa Meier, Universität Tübingen
13. November 2018:
Das letzte Jahrhundert Ägyptens im byzantinischen Imperium und sein erstes Jahrhundert im Kalifat aus der Froschperspektive des papyrologischen Befundes
Prof. Dr. Tonio Sebastian Richter, Freie Universität Berlin, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
20. November 2018:
„In unam reducere consonantiam“ – Justinians Verhältnis zur Überlieferung des römischen Rechts
Prof. Dr. Cosima Möller, Freie Universität Berlin
(Am 27. November 2018 findet keine Veranstaltung statt.)
4. Dezember 2018:
Neue Formen der Identitätsbildung in der Spätantike
Prof. Dr. Walter Pohl, Universität Wien, Österreichische Akademie der Wissenschaften
11. Dezember 2018:
„Untote“ Geschichten aus der Spätantike
Prof. Dr. Danuta Shanzer, Universität Wien
18. Dezember 2018:
„Neue Römer“ in der Spätantike
Prof. Dr. Susanna Elm, University of California at Berkeley
8. Januar 2019:
Rhetorik einer Umbruchszeit: Cassiodor, die Goten und das spätantike Italien
Dr. Gerda Heydemann, Freie Universität Berlin
15. Januar 2019:
„Episcopus plebi die“ und „heres Petri“: Rom und das Papsttum in der Spätantike
Prof. Dr. Steffen Diefenbach, Universität Konstanz
22. Januar 2019:
Zeit der Unbedingtheit. Die Spätantike und der Verlust von Vielfalt
Prof. Dr. Hartmut Leppin, Universität Frankfurt am Main
29. Januar 2019:
Late Antiquity: An Iranian Perspective
Prof. Dr. Richard E. Payne, University of Chicago
5. Februar 2019:
Spätantikes Mittelalter? Münzprägung von Diocletian zu Karl dem Großen
Dr. Karsten Dahmen, Münzkabinett Berlin, Bodemuseum, SPK
12. Februar 2019:
Spätantike in der Mikroperspektive: Die nordafrikanische Stadt Simitthus (Chimtou, Tunesien)
Dr. Philipp von Rummel, Generalsekretär, Deutsches Archäologisches Institut, Zentrale Berlin
Weitere Informationen
Kontakt
- Prof. Dr. Stefan Esders, Friedrich-Meinecke-Institut der Freie Universität Berlin, E-Mail: esdersst@zedat.fu-berlin.de
- Freie Universität, Koordinierungsstelle Offener Hörsaal, Weiterbildungszentrum, Otto-von-Simson-Straße 13, 14195 Berlin, Telefon: +49 30 838 633 25, E-Mail: sebastian.treu@fu-berlin.de