Provision statt Sekundenlohn?

BitterLemmer MA smallDie Analyse der abgelaufenen MA kann man kurz halten. Die Umfrage war für die meisten Sender erfreulich. Eine Bestätigung für erfolgreiche Arbeit war sie nur teilweise, wie immer. Bundesweit lässt sich feststellen, dass die Verweildauer bei den 10 bis 19jährigen Hörern wohl leicht gestiegen, jedenfalls nicht gesunken ist. Das ist deshalb von Gewicht, weil es ja durchaus den einen oder anderen in der Landschaft gibt, der meint, es lohne nicht mehr, ein Programm für Junge zu machen, weil die ja nur noch iPod und Webradio und sonstwie Teufelszeug hören würden (habe ich wirklich dieser Tage gehört). Und kleinere Sender sollten ihren Jubel oder ihre Trauer dämpfen, denn bis zu 20.000 Hörer reicht die Messfehlertoleranz der MA. Mit etwas Glück oder Pech kann sich das beim nächsten Mal wieder ändern.

Womit wir bei den wirklich spannenden MA-Themen wären. Das spannendste wurde in der letzten Woche vom OWM, dem Zusammenschluss der 100 größten werbetreibenden deutschen Unternehmen, veröffentlicht und würde eine Revolution für alle werbefinanzierten Medien bedeuten. Sie würden ihr Geld nicht mehr allein dafür erhalten, dass sie Werbesekunden oder -minuten verkaufen, sondern auch für den Umsatz vergütet werden, den sie ihren Kunden bescheren. Damit das funktionieren kann, soll die Marktforschung künftig nicht mehr nur die (Hörer-) Reichweite ermitteln, sondern auch, welchen Anteil Medien und Mediengattungen am Verkaufserfolg haben.

Allerdings dauert es noch ein Weilchen, bis diese Idee in die Tat umgesetzt wird. In Agma-Kreisen ist von „mindestens drei Jahren“ die Rede. Aber klar ist: Es wird so kommen, und zwar deshalb, weil die Werbetreibenden, also die mit dem Geld, es so wollen.

Strittig zwischen Werbetreibenden und Sendern ist die Frage, wer die Qualität der Spots beurteilen darf. Sender-Vertreter bei der Agma sagen, dass ein mieser Spot ein mieses Ergebnis einfahren könnte, während die Agentur-Vertreter sagen, sie wüssten schon, wie man funktionierende Spots produziert. Die Sender-Vertreter entgegnen, dass, wenn Sie schon für die Performance und nicht mehr für die Reichweite bezahlt werden, auch mitreden, mitplanen oder mitproduzieren wollen, um die Performance steuern zu können. Auch die Details der Messung sind noch nicht geklärt.

Ob die Sender davon profitieren oder nicht, dürfte eine offene Frage sein. Manche Sender funktionieren ja schon heute hervorragend als Verkaufsmaschine. Das sind in der Regel die, die ohnehin stabil dastehen und über viele Jahre konstante Einnahmen erzielen. Wer im lokalen Markt erfolgreich ist, sollte sich vor der künftigen MA-Währung nicht fürchten müssen, denn das Autohaus von nebenan bucht schon seit Jahr und Tag nur dann, wenn es die Erfahrung gemacht hat, dass die Schnäppchen nach einer Radio-Promotion auch mit neuen Besitzern vom Hof fahren. Sender, die mit klaren Botschaften und konsequenter Machart Probleme haben, dürften zu den Verlierern gehören. Für die Branche wäre das vielleicht gar nicht so übel.

Eine zweite Änderung kommt schon im kommenden Frühjahr, und die dürfte den privaten Sendern eher nützen als den öffentlich-rechtlichen. Die Zählung und durchschnittliche Berechnung von Montag bis Samstag wird abgeschafft. Stattdessen werden die Wochentage (Montag bis Freitag) und das Wochenende (Samstag und Sonntag) separat berechnet und ausgewiesen.

Die bisherige Sechstagewoche beruhte ohnehin nur auf den Bedürfnissen der Öffentlich-Rechtlichen, die Sonntags nicht werben dürfen. Jetzt haben die Privaten die Chance, auch für den Sonntag Zahlen zu bekommen, mit denen sich Werbezeit verkaufen lässt. Eigentlich erstaunlich, dass das erst jetzt passiert.

Lemmer
Christoph Lemmer arbeitet als freier Journalist in Berlin.

E-Mail: christoph@radioszene.de