Meeresgrund weniger erforscht als Mondoberfläche

Biodiversität in der Tiefsee Meeresgrund weniger erforscht als Mondoberfläche

Das modernste deutsche Forschungsschiff, die "Sonne", befindet sich zurzeit im Atlantik zwischen Island und den Azoren, um die Artenvielfalt der Tiefsee zu erfassen. In bis zu 5000 Metern Tiefe wird außerdem der Meeresboden kartiert.

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Video Die Erforschung der Tiefsee 

"Bisher ist das Ökosystem der Tiefsee weniger erforscht als die Oberfläche des Mondes", so Expeditions-Leiterin Saskia Brix vom Institut Senckenberg am Meer. Schätzungen zufolge sind gerade einmal fünf Prozent der Tiefsee erforscht. Dabei handelt es sich bei der Tiefsee um den größten Lebensraum der Erde. Noch im 19. Jahrhundert glaubte man, dass es sich bei der Tiefsee um unbelebte, karge Flächen handele. "Ganz das Gegenteil ist der Fall", so Brix.

Für die Erkundung steht den Wissenschaftlern neueste Technik zur Verfügung. Das im Jahr 2014 in Dienst gestellte Forschungsschiff "Sonne" deckt das gesamte wissenschaftliche Spektrum der Meeresforschung ab. Einen Großteil der Baukosten für das Schiff wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung übernommen. Das gegenwärtige Tiefsee-Forschungsprojet wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert. 

Ein Team von 21 Forschenden ist am 8. Januar 2021 zu einer fünfwöchigen Expedition mit dem Forschungsschiff "Sonne" in den Atlantik aufgebrochen. Der offizielle Name der Expedition lautet: "IceDivA (SO280)". Das Team wird in Meeres-Tiefen bis zu 5.000 Metern die Vielfalt von Lebewesen erforschen. Um auch in Corona-Zeiten an Bord gehen zu können, haben die Forschenden und die Schiffsbesatzung Weihnachten und Neujahr in einer 14-tägigen Quarantäne verbracht. Vor dem Start wurden mehrere Corona-Tests gemacht.

Artenreichtum der Tiefsee

Erst Mitte des 20. Jahrhunderts entdeckte die Wissenschaft den unglaublichen Artenreichtum der Tiefsee. Zuvor waren die Netze und Fallen oft zu grobmaschig, als dass die winzigen Tiefseebewohner ins Netz gegangen wären. Moderne Messgeräte ermöglichen heute nicht nur eine Entnahme biologischer Proben, sondern auch eine zentimetergenaue Kartierung des Meeresbodens. "Wir untersuchen, ob Tiefseetäler oder Berge am Meeresboden eine natürliche Barriere für die Ausbreitung von Arten darstellen oder ob es dieselben Tierarten bei Island und auf Höhe der Azoren gibt“, sagt Brix.

Seegurken, Schlangensternen und Co.

Die Forschungsexpedition mit dem Schiff "Sonne" hat die Aufgabe, die Verbreitung von Tiefseeorganismen zu untersuchen. "Ich bin mir sehr sicher, dass wir auf dieser Fahrt neue Arten entdecken werden, da etwa 90 Prozent der Lebewesen in der Tiefsee noch unbekannt sind. Ich rechne mit bisher unbekannten Arten von Borstenwürmern, Schlangensternen, Schnecken und auch aus meinem Spezialgebiet der Tiefseeasseln. Hinzu kommt, dass wir in eine Region fahren, in der vor uns noch nie zuvor Proben aus der Tiefsee entnommen wurden", so Brix.  

Brutverhalten der Tiefenasseln

Für Brix sind Tiefseeasseln "das perfekte Beispiel", um die Mechanismen der Artausbreitung in der Tiefsee zu untersuchen: "Meeresasseln sind etwas ganz anderes als die bekannteren Kellerasseln", so die Biologin. "Tiefseeasseln sind faszinierende Tiere: Sie brüten ihre Jungtiere in einem Brutbeutel aus", ergänzt Brix. Das sei bei Krebstieren sonst unüblich. "Tiefseeasseln verbreiten sich nicht passiv über Meeresströmungen, sondern hopsen, krabbeln oder schwimmen. Anders als bei anderen Tierarten, bei denen Eier und Larven im Meer herumtreiben, sind es bei Asseln immer die erwachsenen Tiere, die sich verbreiten."

Die Basis der Nahrungskette

Die aktuelle Forschung auf der "Sonne" hilft dabei, Vorhersagen über den zukünftigen Zustand des Lebensraums Ozean zu machen, erklärt Brix: "Wenn Veränderungen im Ozean stattfinden - sei es eine Erwärmung der Weltmeere oder sich ändernde Meeresströmungen - können wir anhand von Modellen bestimmen, wie sich diese Veränderungen auf die Verbreitung der unterschiedlichen Arten auswirkt. Unser Fokus liegt auf den Tieren, die am Anfang der Nahrungskette stehen."

An der Expedition nehmen unter Leitung des Instituts Senckenberg am Meer 21 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Bundesanstalt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), des British Antarctic Survey, des GEOMAR sowie der Universitäten Hamburg und Oldenburg teil.