Verwaltungsrecht » Schwimmunterricht mit Ganzkörperbadeanzug

EurNews: Rechtslupe 25 Juni 2012
Presseerklärung

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_OVG Bremen_

Der nach Vollendung des 12. Lebensjahres anerkannte Anspruch auf Befreiung vom Schwimmunterricht für Schülerinnen muslimischen Glaubens kann nicht auf Kinder im Grundschulalter ausgeweitet werden.

In diesem Alter kann im Allgemeinen noch nicht angenommen werden, dass der koedukative Sportunterricht (einschl. des Schwimmunterrichts) bei den Schülerinnen einen persönlichen Gewissenskonflikt hervorruft.

So die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen in dem hier vorliegenden Fall eines neunjährigen Mädchens, dessen Eltern die Befreiung vom Schwimmunterricht beantragt haben.

Mit ihrer Antragstellung zu Beginn des 3. Schuljahres machten die Eltern geltend, dass nach einer strengen Auslegung des Korans, die sie für richtig hielten, die islamischen Bekleidungsvorschriften bereits für Mädchen ab einem Alter von 8 ½ Jahren gelten würden. Ihre Tochter dürfe zwar in einer weitgeschnittenen Kleidung am koedukativen Sportunterricht, nicht aber am koedukativen Schwimmunterricht teilnehmen. Die Grundschule lehnte die Befreiung ab. Die Eltern sind mit ihrem Versuch, die Befreiung im Wege einer einstweiligen Anordnung vor Gericht durchzusetzen, bereits vor dem Verwaltungsgericht gescheitert.

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen ist für die Teilnahmepflicht am koedukativen Sportunterricht das Alter der Schülerin von maßgeblicher Bedeutung. Nach Einsetzen der Pubertät, jedenfalls aber nach Vollendung des 12. Lebensjahres, erkennt die Rechtsprechung für Schülerinnen muslimischen Glaubens einen Befreiungsanspruch an, wenn die Teilnahme an diesem Unterricht sie in einen persönlichen Gewissenskonflikt bringt. Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf Schülerinnen, die die Primarstufe besuchten, übertragen werden. Im Grundschulalter kann im Allgemeinen noch nicht angenommen werden, dass der koedukative Sportunterricht (einschl. des Schwimmunterrichts) bei den Schülerinnen einen solchen Gewissenskonflikt hervorrufe. In der Primarstufe habe dieser Unterricht eine elementare Bedeutung für die Einübung sozialer Grundregeln.

Das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen hebt hervor, dass den Eltern angeboten worden sei, dass ihre Tochter in einem Ganzkörperbadeanzug (sog. Burkini) am Schwimmunterricht teilnehmen könne. Dieses Angebot sei dazu geeignet, den Konflikt zwischen Schule und Elternhaus in angemessener Weise zu lösen.

Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 13. Juni 2012 – 1 B 99/12 http://dlvr.it/1mH8R7

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