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Beth Ditto – dick, lesbisch, ein neues Sexsymbol!

Autor im Ressort Stil
Viele würden sie als "fett" bezeichnen, Beth Ditto ist das egal: Die schrille Sängerin der US-Rockband "The Gossip" liebt sich so, wie sie ist. Dass sie offen lesbisch ist, weder Achseln noch Beine rasiert und sich am liebsten in hautenge Outfits quetscht, macht die 28-Jährige zum neuen Liebling der Modedesigner.

Über ihrem dicken Hintern steht "sisterhood", auf ihrem imposanten linken Arm hat sie sich einen Anker und das Wort "Mama" tätowieren lassen. Und sie wiegt vermutlich 20 Kilo mehr, als selbst ein großzügiger Ernährungsberater ihr zugestehen würde. Beth Ditto ist die Sängerin der US-Rockband The Gossip. Sie macht exzellente Musik, sie ist ein Superstar, und etwas wie der wandelnde Beweis, dass man auch ohne Bulimie berühmt werden kann. Somit ist sie ein Symbol der Subversion, ein Fragezeichen hinter der Weltherrschaft von Heidi Klum.

Ob auf dem Cover der ersten Ausgabe des neuen britischen Magazins "Love" allerdings ihre Brustwarzen wegretuschiert wurden, oder aber ihr Nachname so geschickt platziert wurde, dass er sie genau verdeckt, ist schwer zu sagen. In jedem Fall ergibt sich ein seltsamer Effekt: eine nackte, übergewichtige Frau auf dem Cover eines Modemagazins könnte eine echte Provokation sein. Dass man ihr aber zwei kleine, jedoch anatomisch unvermeidbare Details genommen hat, nimmt dem Bild das Erfrischende. Sicher kann man mit Anzeigenkunden argumentieren, letztlich aber sieht man hier keinen echten Menschen mehr. Der Sieg der Dicken und Deformierten hat so einen prüden Beigeschmack.

Aber es bleibt ein Sieg. Immerhin hat Ditto den ewigschlanken Iggy Pop – auf andere Weise deformiert, aber er darf das ja, denn er ist ein wilder, alter Mann – ins Innere des Heftes verdrängt.

Beth Ditto ist lesbisch und spricht über ihre Ex-Freundin, als sei sie ein Mann. Sie ist allergisch gegen jedes Parfum außer Chanel No. 5, sie hat scheußlich rot gefärbte Haare. Ihre Stilvorbilder sind, laut "New York Times": "Sarah Jessica Parker im Jahr 1993, Madonna in ihrem Video 'Cherish' und Missy Elliotts Müllsack-Look". Man kann also nicht anders, als sie gern zu haben – zumal sie mich an meine Kindheit erinnert.

Als Siebenjähriger glaubte ich, dick zu sein. Und tatsächlich scheine ich auf damaligen Fotos unnatürlich aufgeblähte Wangen zu haben. Jedenfalls, wenn man mein Erbgut betrachtet, denn ich stamme aus einer Familie, die zwar einerseits ein leidenschaftliches Verhältnis zum Essen hat, in der aber alle schlank sind. Das ist keine besondere Leistung, sondern einfach Glückssache, so wie etwa die Familie von Ludwig Wittgenstein durchweg musikalisch begabt war. Aber das Gefühl, einen abweichenden Körper durchs Leben zu schleppen, ist mir zumindest nicht ganz fremd.

Trotzdem ist mein Einfühlungsvermögen in das Lebensgefühl einer dicken Frau begrenzt. Ob Musikkritiker bei Beth Ditto heimlich auf der Toilette Mass nehmen, wie damals ein besonders eifriger Reporter im Kanzlerflugzeug zu Zeiten von Helmut Kohl? Ob sie manchmal vor dem Spiegel steht und sich wünscht, so auszusehen, wie ihre Freundin Kate Moss?

Das spielt natürlich in Wirklichkeit keine Rolle. Ditto macht sich nicht zur Witzfigur, sie gibt nicht mit ihrer Hundesammlung an, und sie ist verrückt nach Mode. Selbst wenn man nicht ganz freiwillig zur Exzentrikerin wird, kann man diese Rolle innerlich hassen – oder sie umarmen. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen spießig, aber auch in Zeiten von Antidepressiva, Botox, Personal Trainern und erstaunlich preisgünstigen Schönheitsoperationen liegt wirkliche Lebenskunst – Wittgenstein war sie nicht gegeben, ich arbeite noch dran – in der Entscheidung, sich selbst nach vorn zu ballern, auch wenn andere lachen oder beschämt wegschauen.

Ihr neues Album nimmt Beth Ditto mit dem legendären Produzenten Rick Rubin auf. Was keine sonderlich originelle Wahl ist, aber immer ein gutes Zeichen. Um sie und ihre Band auf seine Arbeitsweise einzustimmen, erklärte Rubin: "You're loved". Wie immer hat er Recht.

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