Gold genießt überall auf der Welt einen Ruf als sicherer Hafen in Krisen jeder Art. Im Vorfeld des Brexit-Referendums decken sich daher plötzlich auch die bisher eher zurückhaltenden Briten mit dem Edelmetall ein.
Als Krisenwährung ist Gold bei den Deutschen so beliebt wie eh und je. Die Bundesbürger kauften laut den Daten des World Gold Council, einem Verband großer Minengesellschaften, im vergangenen Jahr 116 Tonnen Goldbarren und Münzen – mehr als in jedem andern europäischen Land. Die Angst vor den wirtschaftlichen Folgen eines "Brexit" und die expansive Geldpolitik treibt die Anleger vermehrt ins Gold. Die Folge: Das als "sicherer Hafen" in Krisenzeiten geltende Edelmetall verteuerte sich in den vergangen Wochen auf den höchsten Stand seit fast zwei Jahren. Am Montag reagierte der Goldpreis dann auf die aktuellen Brexit-Umfragen, die auf einen Verbleib der Briten in der EU hindeuten, und ging leicht zurück.
Run auf die Händler
Das Chaos im Vorfeld der Abstimmung am 23. Juni und die Furcht vor den unkalkulierbaren Folgen eines EU-Austritts der Briten hat nun erstmals auch Großbritannien einen wahren Gold-Boom ausgelöst. Die Briten rennen plötzlich in Scharen zu den Goldhändlern und decken sich mit Münzen und Barren ein.
Der FOCUS Online Ratgeber zeigt Ihnen, wie Sie Ihr Geld gewinnbringend anlegen und teure Fallen umgehen.
„Unser Londoner Tochterunternehmen Sharps Pixley verzeichnete seit Jahresbeginn monatlich eine Verdreifachung der Nachfrage, sagt Wolfgang Wrzesniok-Roßbach, Sprecher der Geschäftsführung bei Degussa Goldhandel, zu FOCUS Online.
Sharps Pixley ist einer der ganz wenigen Händler in Großbritannien, bei dem Kunden tatsächlich physisches Gold kaufen können. Das kuriose: Obwohl London neben New York als Zentrum des internationalen Edelmetallhandels gilt, hatten Verbraucher bisher kaum Möglichkeiten, physisches Gold zu kaufen. Vielen blieb allein der Handel mit Goldkontrakten und Zertifikaten an der Börse.
In den ersten drei Monaten des Jahres stieg die Nachfrage nach physischem Gold in Großbritannien laut den Daten des World Gold Council im Vergleich zum Vorjahr um insgesamt 61 Prozent.
Gold ließ die Briten bisher kalt
Das ist erstaunlich, denn bislang konnten sich die Menschen auf der Insel für das glänzende Edelmetall nicht so recht begeistern. Lediglich 9,4 Tonnen Gold wurden im vergangenen Jahr in Großbritannien nachgefragt - gerade mal ein Zwölftel der deutschen Goldkäufe. Vorsorge für Krisenzeiten schien den Briten nicht nötig. Das Vertrauen in die eigene Währung war unerschütterlich. Eine traumatisierende Erfahrung wie die der Hyperinflation, die nach dem ersten Weltkrieg in Deutschland grassierte, blieb dem Vereinigten Königreich bisher erspart.
Doch die Verluste, die das Pfund jüngster Zeit erleiden musste, schüren nun offenbar die Furcht ums eigene Vermögen: „Eine Vielzahl britischer Anleger hat die Sorge, dass ein EU-Austritt eine Währungskrise des Britischen Pfund zur Folge haben könnte. Das Pfund Sterling gehörte bereits zu den schwächsten Währungen der jüngsten Monate" sagt Wrzesniok-Roßbach. Seit circa einem Jahr hat es sich zum Euro um nahezu zehn Prozent verbilligt. Laut einer Studie der Bank HSBC könnte das
- 1 Tag
- 6 Monate
"Der Goldpreis in Pfund gerechnet ist dagegen auf ein Zwölfmonatshoch angestiegen.", sagt der Degussa-Experte. Denn wenn das Pfund nach einem "Ja" zum Brexit wirklich abstürzt, könne Gold als Ersatzwährung eine wichtige Rolle spielen.