Marketing-Gag, Altruismus oder ein  Hilfeschrei? Spryker Systems, der vielbeachtete Framework-Anbieter im E-Commerce, stellt seinen Quellcode für das Software-Framework Spryker kostenlos online. Inspiriert vom Open Source-Gedanken können Entwickler aus Unternehmen und Agenturen auf spryker.com/development erstmals komplett offen an dem System herumwerkeln und den Code am eigenen Shop ausprobieren. Was Spryker zu dem Software-Geschenk verleitet und was es damit beweisen will? Wir haben nachgefragt.  

 

Drei Dinge zeichnen Spryker aus: Der modulare IT-Ansatz, die Trennung von Back- und Frontend und ein differenziertes Lizenzmodell, dass dem Kunden statt eines Festbetrags die individuelle Nutzung nach Anzahl der Entwickler in Rechnung stellt. Mit dem offenen Code als Produktprobe will Spryker nun auch zeigen, welche Vorteile Spryker gerade gegenüber über Eigenentwicklungen in der E-Commerce-Praxis bieten und transparent machen, wie sich die Alternative anfühlt. 

Blick in den Code
Blick in den Code

Warum ein bisschen Open Source - reicht es nicht für eine eigene Vertriebskraft?

Alexander Graf: Doch, klar, dafür bin doch da. Im Ernst: Wir glauben, dass man modulare Software nicht mehr verkaufen kann, sondern nur die Fähigkeiten davon transparent macht. Flexible Systeme kann man nicht mehr in die Excel-Spalte einer klassischen Lieferantenauskunft pressen. Bei einem Baustein-Ansatz wie Spryker wäre das als würde man “Lego” allein über das  Piratenschiff verkaufen müssen. Außerdem haben viele Unternehmen ein gutes Gespür dafür, was sie brauchen. Das haben sich schließlich in den letzten 10 Jahren intensiv lernen müssen, weil die “IT” eben nicht mehr nur unten im Keller gewartet wird. Spezialfälle werden wir natürlich individuell beantworten, aber die grundsätzliche Passfähigkeit müssen und wollen Kunden selbst testen. Ich denke, das ist ein sehr guter Weg für unsere Software in der Zukunft.

Alexander Graf, Mitgründer von Spryker
Alexander Graf, Mitgründer von Spryker

Nur gucken, oder auch richtig anfassen? Wie viel Probearbeit ist denn möglich?

Alexander Graf: Richtig anfassen, anpacken, bauen und nutzen. Wir haben keine Grenzen eingebaut, wissen also gar nicht für welche Anwendungsfälle Unternehmen Spryker nutzen wollen. Man kann sich im Probemodus quasi ein Haus bauen und bewohnen. Das Produkt öffentlich zugänglich zu machen heißt für uns, anderen Unternehmen das anzubieten, was die Tech-Community schon lange für sich als Standard definiert: Test and learn.

Wer ist denn die Zielgruppe für die Produktprobe - der Schrauber oder der Einkäufer?

Alexander Graf: Für Schrauber, die den Entschiedern helfen sollen. Der Open Code ist gestaltet für Entwickler, genauso wie das Framework Spryker. Sie sollen Konzepte intuitiv und schnell darauf umsetzen können. Diese Bauweise ist außerdem darauf ausgerichtet, dass Entwickler sich mit Business-Verantwortlichen leichter über Technologie verständigen können, die Möglichkeiten besser vermitteln können.

"Wir haben keine Grenzen eingebaut. Man kann sich im Probemodus quasi ein Haus bauen und bewohnen"


Ein Quellcode ist ja nicht alles: Stehen Pricing und Service gleich mit im „Quelltext“?


Alexander Graf: Unser neues Preismodell ist ebenfalls auf spryker.com einsehbar. Wir haben es weiterentwickelt, um auch hier mehr Transparenz und Flexibilität  zu gewährleisten. Statt der statischen  Jahreslizenz orientiert sich der Preis für Spryker jetzt daran, wie viele Entwickler eines Unternehmens damit arbeiten, also an der tatsächlichen Nutzung. Man kann jetzt einen Developer Seat inklusive Updates und Patches pro Jahr buchen und diesen bei Bedarf erweitern, wenn gewünscht sogar monatlich. Der Service wiederum steckt natürlich im Team und der Academy, aber auch ein Stück weit im Code, weil das Framework intuitiv, “sauber” und leicht wartbar programmiert wurde. Entwickler erkennen das.

Open Code heißt dennoch Einblick in den Quelltext. Werden da gerade große Unternehmen nicht schnell sicherheitshysterisch?

Alexander Graf: Nein, sie haben vollständigen Sichtschutz, weil sie Spryker in ihrer Entwicklungsumgebung ausprobieren. Auch wir bei Spryker haben keinerlei Informationen darüber, wer den Code nutzt oder wofür. Nur wenn Unternehmen oder freie Entwickler ihre Ergebnisse bewusst teilen, werden sie öffentlich. Ungewöhnlich ist es für uns als Anbieter, dass wir Andere bis in den Quellcode unserer Enterprise-Lösung gucken lassen.

Wichtiger als der Blick auf den Quellcode dürften für manche Entscheider und manche Powerpoint-Folie Referenzkunden sein. Wie sieht es damit derzeit aus?

Alexander Graf: Siroop und  Pets Deli sind schon live mit Spryker. Rund ein dutzend weitere Kunden gehen aktuell in die Implemetierungsphase bzw. sind mitten drin. Da der Einsatz neuer Technologie eine strategische Entscheidung ist, bleiben solche Projekte gewöhnlicherweise still bis zum Livegang. Die Gartner Group USA hat uns gerade in ihren “Magic Quadrant for Digital Commerce 2016” aufgenommen und das charmant gelöst, wie ich finde: durch die Kategorie für Technologie-Unternehmen mit noch jungen Kundenlisten und Umsätzen “Other vendors to consider with innovative or unique technology”. Dass es ein Unternehmen mit gerade mal 15 Monaten Historie auf diese Liste schafft, kommt meines Wissens auch nicht so oft vor.

Hinweis: Alexander Graf ist Mit-Gastgeber des Video-Formats „eye2eye“ bei etailment und hat  „Das E-Commerce Buch“ in der dfv-Mediengruppe, zu der auch etailment gehört, veröffentlicht.